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Donnerstag, 18. Oktober 2012

Verfassungbeschwerde vom 17. Oktober 2012

V e r f a s s u n g s b e s c h w e r d e

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1. der Frau Vera Demjanjuk,

2. John Demjanjuk, Adresse wie unter 1.,

3. Rechtsanwalt Dr. Ulrich Busch als Pflichtverteidiger des am 17.3.2012 verstorbenen Herrn John Demjanjuk,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Ulrich Busch,

in der Strafsache gegen John Demjanjuk, gestorben am 17.3.2011, wegen Beihilfe zum Mord

Namens und kraft in der Anlage beigefügter, auf eine Verfassungsbeschwerde gerichtete Vollmachten der Witwe des verstorbenen John Demjanjuk, Frau Vera Demjanjuk sowie ihres Sohnes, John Demjanjuk jun. sowie als Pflichtverteidiger des verstorbenen John Demjanjuk erhebe ich das Rechtsmittel der

Verfassungsbeschwerde

gegen

1. Beschluss des Oberlandesgerichts München – 4 Ws 169/12 K – vom 4.10.2012

2. Beschluss des Landgerichts München II  - 1 Kls 115 Js 12496/08 – vom 5.4.2012

und beantrage:

1. Die Beschlüsse des Landgerichts München II sowie des Oberlandesgerichts München werden für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Beschlussfassung an das zuständige Gericht verwiesen.

Es wird gerügt die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20, der Menschenwürde des Art. 1 GG, die Grundrechte aus Art. 2 GG, des Verbotes sachwillkürlicher Entscheidungen des Art. 3 GG, der Unschuldsvermutung des Art. 6 EMRK in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 sowie des Art. 2 GG, des Art. 101 GG als Verbot einer Einzelfall-Sonderverfolgung (lex Demjanjuk), des Art. 103 Abs. 2 als Verbot der Bestrafung ohne Gesetz (nulla poena sine lege), des Art. 103 Abs. 3 als Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) sowie schließlich des Art. 19 als Verbot der Versperrung des garantierten Rechtsweges.

Die angegriffenen Entscheidungen werden in Anlage 1 und Anlage 2 überreicht und zum Inhalt des diesseitigen Vortrages gemacht.

A.

Das Bundesverfassungsgericht ist wiederholt in der Strafsache gegen Demjanjuk angerufen worden und hat sich in allen Fällen verweigert, auf die skandalösen Umstände und den ersten politischen Prozess in der Nachkriegsgeschichte der deutschen Justiz unter Berücksichtigung der Grundwerte der Bundesrepublik Deutschland Einfluss zu nehmen.

In der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgericht – 2 BvR 1933/12 - wurde die Verfassungsbeschwerde der jetzigen Beschwerdeführer am 5.9.2012 verworfen und jede Begründung verweigert.

Entschieden haben die Richter am Bundesverfassungsgericht G., L. und M.

Unter diesen Umständen wird auf die Verfassungsbeschwerde vom 22.8.2012 nebst allen Anlagen Bezug genommen, ferner auf die unter G. auf Seite 23/24 der Verfassungsbeschwerde beigefügten Unterlagen.

Unter Ziffer 10 dieser Unterlagen heißt es:

10. Komplette Revisionsbegründung des Unterzeichneten betreffend Prozesshindernisse und Befassungs- und Bestrafungsverbote auf CD zu treuen Händen des Bundesverfassungsgerichts

Ich stelle fest, dass das Bundesverfassungsgericht bisher die CD an den Unterzeichneten nicht zurückgegeben hat.

Unter den Umständen des umfassenden Vortrages der Beschwerdeführer in ihrer Verfassungsbeschwerde vom 22.8.2012 und unter Berücksichtigung der Beifügung dieser Verfassungsbeschwerde in der Anlage, muss davon ausgegangen werden, dass das Bundesverfassungsgericht zu zugrundeliegenden Sachverhalt insgesamt kennt. Es wird beantragt:

Die Verfassungsbeschwerde vom 22.8.2012 nebst allen Anlage, AZ: 2 BvR 1933/12 – wird beigezogen.

Ferner wird beantragt:

Die CD, auf der die gesamte Revisionsbegründung in dieser Sache enthalten ist, wird aus dem Verfahren 2 BvR 1933/12 beigezogen und zum Inhalt dieser weiteren Verfassungsbeschwerde gemacht.

Zusammenfassend wird wie folgt ausgeführt:

Am 12.5.2011 verurteilte das Landgericht München II in einem beispiellos illegalen Verfahren den am 17.3.2012 verstorbenen John Demjanjuk wegen 16-facher Beihilfe zum Mord zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren. Das Verfahren vor dem Landgericht München II war geprägt von massivem und unvorstellbarem Gesetzes- und Rechtsbruch.

Der Angeklagte wurde entgegen einer Einreiseverweigerung des Bundesinnenministeriums, die voll und ganz der fehlenden Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für Auslandsstraftaten mit nationalsozialistischem Hintergrund von Nichtdeutschen im Ausland entsprach, ferner der 70-jährigen Rechtspraxis des Bundesjustiz- und des Bundesinnenministeriums, ferner der 70-jährigen Rechtspraxis aller Staatsanwaltschaften und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, unter Verstoß gegen nationales und internationales Recht, unter Verstoß gegen die Konvention der UNO und das Legalitätsprinzip sowie unter Verstoß gegen anerkanntes Völkerrecht, schließlich unter Umgehung des Auslieferungsrechtes zwischen Deutschland und den USA, zu einem politischen Schauprozess in die Bundesrepublik verbracht. Der Angeklagte wurde sodann unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 des GG ohne Zuständigkeit deutscher Strafgerichte und ohne Anwendbarkeit deutschen Rechtes für Auslandsstraftaten von Ausländern im Ausland wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.

Dabei wurde das Tatstrafrecht der Tatzeit 1943 in sein Gegenteil verkehrt, indem Angehörige der Trawniki-Wachmannschaften zu deutschen Amtsträgern des deutschen Reiches erklärt wurden, eine Auslegung und Interpretation des Gesetzes, die auf Sachwillkür beruhte und gegen Art. 3 des GG verstieß. Anklage und das Urteil des Landgerichts München II wurden nicht auf der Grundlage geltenden Rechtes und geltender Gesetze erlassen, welche einen Individualschuldnachweis und eine Beteiligung des Angeklagten an konkreten Taten und deren Nachweis  erforderten. Sämtliche Grundlagen des deutschen Rechts wurden im Falle Demjanjuk für nicht maßgeblich erklärt und erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik nur für diesen Prozess eine neue Rechtstheorie kreiert, auf deren Grundlage der Angeklagte verurteilt wurde.

Inzwischen rühmt sich die Ludwigsburger Zentralstelle mit dieser verfassungswidrigen Vorgehensweise.

Es wird überreicht der Artikel der Frankfurter Rundschau vom 25.9.2012, wo es unter anderem heißt:

Jahrzehntelang taten sich deutsche Richter schwer mit Kriegsverbrechern. Denn ihnen mussten konkrete Exzesstaten wie Mord nachgewiesen werden. Insofern ist der Fall Breyer zu vergleichen mit Demjanjuk, sagt Kurt Schrimm, Leiter der Zentralstelle. Demjanjuk war zu 5 Jahren Haft verurteilt worden, ohne dass ihm Einzeltaten nachgewiesen wurden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass jeder SS-Mann und jeder Wachmann als „Teil der Mordmaschinerie“ am Massenmord beteiligt war. ... Diese Rechtsauffassung setzte sich laut Schrimm in der Zentralstelle erst in den letzten Jahren durch – was der Grund dafür ist, dass der Fall Breyer, der dort über Jahre schlummerte, bevor Kirsten Götze ihn aufgriff, ein Aktenzeichen aus dem Jahre 2003 hatte. Das neue Denken hätte sich möglicherweise überhaupt nicht durchgesetzt, wenn nicht Kirsten Götze und Thomas Walther die Fälle Demjanjuk und Breyer ausgegraben und bei den Staatsanwaltschaften Druck gemacht hätten.

Diese Argumentation ist nichts anderes als eine massive Abkehr vom Individualstrafrecht der Bundesrepublik Deutschland und dem vom Rechtsstaatsprinzip und der Menschenwürde geforderten individuellen Schuldnachweis und somit ein Verstoß gegen Art. 20 und Art. 1 des GG in Verbindung mit Art. 103 Abs. 2. Ohne gesetzliche Grundlage schafften sich im vorliegenden Fall Ermittler und Justizbehörden eine Rechtstheorie mit folgendem Inhalt:

Es sei nur zu beweisen, dass Demjanjuk einer Trawniki-Einheit angehörte, die in Vernichtungslagern eingesetzt wurde. Wenn dieser Beweis erbracht war, folgte die Schuld automatisch aus dieser Beweislage, ohne dass der Angeklagte dieser in irgendeiner Weise entrinnen konnte. Dabei spielte es keine Rolle, ob Demjanjuk als Kriegsgefangener zum Dienst in einer Trawniki-Einheit gezwungen wurde und unter ständiger Todesdrohung nach dem Militärstrafgesetzbuch als Kriegsgefangener stand. Es spielte auch keine Rolle, dass nach § 47 Militärstrafgesetzbuch grundsätzlich der Vorgesetzte, nicht aber der Befehlsempfänger verantwortlich war. § 47 wurde schlechterdings für unanwendbar erklärt, obwohl er zwingend im Verfahren hätte berücksichtigt werden müssen.

Der Schuldspruch in Sachen Demjanjuk beruhte von vorne herein nicht auf einer Anklage, einer Hauptverhandlung und einer Beweisaufnahme sowie auf einer Beweiswürdigung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise, vielmehr war die aufgestellte Rechtstheorie selbst

der Schuldspruch und die Vorbedingung der Anklage.

Stimmte man der aufgestellten Rechtstheorie zu, war der Schuldspruch automatisch und damit identisch mit der Rechtstheorie. Mit Zulassung der Anklage und  Eröffnung des Hauptverfahrens hatte das Landgericht München II die Rechtstheorie bejaht und damit den Schuldspruch bereits vor Beginn der Hauptverhandlung gefällt. Der Schuldspruch stand somit fest, bevor überhaupt mit dem Gerichtsverfahren begonnen wurde. Die Rechtstheorie war der Kollektivschuldspruch für alle Trawniki und alle SS-Leute in Vernichtungslagern, gleichgültig, wie sie dorthin gekommen waren, gleichgültig, was sie dort taten, und gleichgültig, unter welchen Umständen sie dort Dienst leisten mussten, sollten oder wollten. So diente das Verfahren vor dem Landgericht München nicht der Klärung der Frage, ob der Angeklagte schuldig oder nicht schuldig war. Der Prozess diente ausschließlich dem medienwirksamen Nachweis, der Angeklagte sei Trawniki gewesen. War er Trawniki, stand seine Schuld von vorne herein aufgrund der außerhalb der Hauptverhandlung gebildeten neuen Rechtstheorie, dem juristischen Neuland und dem Dammbruch 70 Jahre nach dem Krieg
unwiderlegbar fest.

Schon von daher ist offensichtlich, dass es sich um einen politischen Schauprozess handelt, der nicht zu einer Schuldfeststellung oder Freispruch gegen den Angeklagten führen konnte, sondern den Schuldspruch gegen den Angeklagten zur Voraussetzung des Prozesses, nicht aber zur möglichen Folge der Prozessführung hatte.

Auf die dem Bundesverfassungsgericht bekannten zahlreichen Pressemitteilungen über diesen Dammbruch und das juristische Neuland, welches in diesem Fall beschritten wurde, wird ausdrücklich hingewiesen. Wegen der Veröffentlichung in der Presse sind die Tatsachen gerichtsbekannt.

Nach 70-jähriger genau umgekehrter Rechtspraxis wurden erstmals Beweismittel, die ausschließlich aus den Kellern des Geheimdienstes der Sowjetunion unter Stalin stammten, als Beweisdokumente zugelassen und in einem deutschen Prozess gegen einen Angeklagten verwandt, Verstoß gegen Art. 3 GG. Obwohl das polnische Institut für nationales Gedenken rechtskräftig im Sinne des Art. 54 SDÜ den Angeklagten vom Vorwurf einer Beteiligung am Mord in Sobibor durch einen Gerichtsbeschluss gleichen Einstellungsbeschluss „freigesprochen“ hatte, wird unter Verstoß gegen ne bis in idem der Angeklagte zum zweiten Mal verurteilt, Verstoß gegen Art. 103 Abs. 3. Dabei wird entgegen Art. 54 SDÜ und entgegen den einschlägigen polnischen Gesetzen und entgegen der Auskunft der polnischen Staatsanwaltschaft, dass die Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten wegen Beteiligung an den Morden in Sobibor einem rechtskräftigen Gerichtsbeschluss gleich steht, wider besseren Wissens behauptet, es handele sich um eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Polen, die die Qualität einer Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft in Deutschland nach § 170 StPO habe.

Diese letzter Behauptung ist das glatte Gegenteil der Wahrheit und der Bedeutung der polnischen Entscheidung vom 19.12.2007, die eine Anklage gegen Demjanjuk in der Bundesrepublik von vorne herein zwingend ausschloss.

Ohne jede gesetzliche Grundlage wurde wider besseren Wissens verweigert, die angeblichen Taten unter Berücksichtigung des § 47 Militärstrafgesetz und des geltenden Tatstrafrechts zu beurteilen, ja § 47 Militärstrafgesetzbuch überhaupt anzuwenden, Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG. § 47 Militärstrafgesetzbuch, ferner die Regelungen des Militärstrafgesetzbuches über Kriegsgefangene und die im Militärstrafgesetzbuch enthaltene Todesdrohung gegen Kriegsgefangene bei Dienstverweigerung waren zwingend anzuwenden. Landgericht und das Oberlandesgericht München als Haftgericht haben sich im Verfahren gegenseitig überboten, mit objektiv gänzlich abwegigen Argumentationen die Geltung des Militärstrafgesetzbuches und der vorgenannten Bestimmungen desselben auf Trawniki und in diesem Prozess zu bestreiten, obwohl die Anordnungen des Reichsführers SS vor den Richtern des Landgerichts und des Oberlandesgerichts auf dem Richtertisch lagen.

Die historische Wahrheit und das Tatzeitstrafrecht wurden vom Oberlandesgericht und vom Landgericht München ins Gegenteil verkehrt, weil sie der Rechtstheorie = Schuldspruch diametral entgegenstanden.

Die Tatsache, dass John Demjanjuk auch in Israel sich wegen Sobibor zu verantworten hatte, Sobibor Gegenstand des Strafverfahrens in Israel war und der Angeklagte wegen Sobibor in Israel 8 Jahre Untersuchungshaft erlitten hat, davon 5 Jahre in einer Todeszelle, hätte zwingend zur Verneinung eines staatlichen Strafanspruches der Bundesrepublik Deutschland, zur Verweigerung der Prozessführung und zur Einstellung des Verfahrens führen müssen. Um die politisch gewollte und von OSI und dem Simon Wiesenthal Zentrums geforderte Verurteilung des Angeklagten nicht zu gefährden, wurden die eindeutigen Beweise, dass der Angeklagte in Israel 8 Jahre wegen Sobibor in Untersuchungshaft verbracht hat, in ihr Gegenteil verkehrt, Verstoß gegen Art. 3 des GG in Gestalt des Verbotes sachwillkürlicher Entscheidungen.

Die Tatsache, dass der Angeklagte, seine Trawniki-Eigenschaft unterstellt, als Kriegsgefangener gezwungen wurde, für das System Trawniki und das System Vernichtungslager der Deutschen zu arbeiten, dass er als Kriegsgefangener ständig und in massivem Befehlsnotstand und unter Todesdrohung des Militärstrafgesetzbuches stand, wurde vom Landgericht wegen der strikten Forderung von OSI und dem Simon Wiesenthal Zentrums, den Angeklagten zu  verurteilen, unter Verstoß gegen das Sachwillkürverbot des Art. 3 ignoriert.

Es wurde beiseite geschoben, was 70-jährige Rechtspraxis in der Bundesrepublik war, nämlich das gegen Trawniki nicht vorgegangen wurde, weil sie, wie die Staatsanwältin Helge Grabitz in umfassenden Publikationen nachgewiesen hatte, nicht verfolgt werden durften als sogenannte kleinste Befehlsempfänger auf unterster Hierarchiestufe, die nicht freiwillig, sondern gezwungen Diensthunde der Deutschen waren, die vor der Wahl standen, erschossen zu werden oder nur so ihr Leben retten zu können.

Die Aufgabe der ständigen Rechtspraxis von 70 Jahren Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland durch das Landgericht München II und der Staatsanwaltschaft München beruhte ausschließlich darauf, dass die Justizbehörden sich den Forderungen des OSI, des Simon Wiesenthal Zentrums und der Politik auf Verurteilung von John Demjanjuk, die bisher unterblieben war, unter Aufgabe ihrer Unabhängigkeit und  unter Unterordnung unter die Forderungen des OSI und des Simon Wiesenthal Zentrums fügten.

Die gleichen Gründe waren es, die das Landgericht veranlasst haben, bei seiner Beweisführung sämtliche zugunsten des Angeklagten in der Beweisaufnahme vorgetretenen  Beweisumstände im Urteil wegzulassen, insbesondere die Aussagen des Kronzeugen Danilschenko, an die anknüpfend das israelische Oberste Gericht ausdrücklich festgestellt hat:

Wir können Demjanjuk wegen Sobibor nicht verurteilen, weil Danilschenko uns mitgeteilt hat, dass Demjanjuk oftmals während seiner Anwesenheit in Sobibor nicht im Lager war, sondern auf Außeneinsatz, auf Sonderurlaub oder auf anderen Missionen.

Diese Entscheidung des Obersten israelischen Gerichts, dass der Angeklagte Demjanjuk nicht wegen Sobibor verurteilt werden konnte, und zwar gerade aufgrund der Aussage Danilschenkos, war die auch für das Landgericht München allein mögliche Rechtsfolge, die sich aus den Beweismitteln und den Beweisergebnissen im Prozess vor dem Landgericht München II sowie den Beweisanträgen der Verteidigung, die praktisch sämtlich abgelehnt wurden, ergab. Allein schon die Aussage Danilschenkos stand einer Verurteilung des Angeklagten diametral entgegen und machte eine solche von Rechtswegen unmöglich.

Das Landgericht und die Justizbehörden sind dennoch den politischen Forderungen auf Verurteilung des Angeklagten sowie insbesondere den Forderungen des OSI und des Simon Wiesenthal Zentrums nachgekommen und haben sich an deren Forderungen ausgerichtet. Das Landgericht hat deshalb im Urteil mit keinem Wort erwähnt, dass nach dem Inhalt der Aussagen Danilschenkos es ausgeschlossen war, nachzuweisen, dass der Angeklagte zu den in der Anklage genannten Zeiten bei Anlieferung und Vernichtung der Vernichtungsopfer überhaupt anwesend, geschweige denn tätig war. Zwar wurde dieser Teil der Aussage Danilschenkos verlesen, die alles entscheidende Entlastung des Angeklagten durch die Aussage Danilschenko wurde vom Landgericht jedoch im Urteil „unter den Tisch“ fallen gelassen.

Von einer prozessualen Ordnungsmäßigkeit der Prozessführung kann angesichts dieser Tatsachen auch nicht ansatzweise die Rede sein. Dass die Entlastung durch Danilschenko im Urteil keine Erwähnung findet, erklärt sich daraus, dass der Schuldspruch = Rechtstheorie schon vor Beginn der Hauptverhandlung feststand und durch nichts gefährdet werden durfte.

Mit den Beweisanträgen der Verteidigung in Bezug auf Befehlsnotstand und Putativnotstand wurde nachgewiesen, dass in den Vernichtungsfabriken Todesurteile gegen ihre Mitarbeiter gefällt und vollstreckt wurden, Trawniki-Männer fortlaufend selbst bei den geringsten Dienstvergehen ausgepeitscht und schwer bestraft wurden,

Trawniki-Männer zur Arbeit gezwungen und bei Verweigerung der Arbeit erschossen oder ausgepeitscht wurden oder ins Konzentrationslager verbracht wurden, bei Fliehen aus der Vernichtungsfabrik gesucht und bei Wiederaufgreifen erschossen wurden, ferner Eltern, Angehörige und Verwandte als Geisel genommen, verhaftet und erschossen wurden. Die Konsequenz war die, die Staatsanwältin Helge Grabitz zurecht bei Trawniki gezogen hat. Ihnen war generell Befehlsnotstand / Putativnotstand zuzubilligen, weil er im Zweifel bei Trawniki nicht ausgeschlossen werden konnte. Grabitz stellte 70 Jahre Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahre 2008 dar. Für den Fall Demjanjuk und zur Erfüllung der Forderungen von OSI und des Simon Wiesenthal Zentrums, welches Demjanjuk im Jahre 2008 plötzlich zum meistgesuchten Kriegsverbrecher erklärte, obwohl dem Leiter des Zentrums, Dr. Zuroff der Wohnsitz und Aufenthalt von John Demjanjuk bestens bekannt war, wurde das Gesetz im Jahre 2008 zugunsten der neuen Rechtstheorie = Schuldspruch für den Fall Demjanjuk, und nur für diesen, suspendiert, zugunsten einer unzulässigen verfassungswidrigen Sonderverfolgung, wie sich aus den insbesondere von Hassemer in seinen Beiträgen erarbeiteten Kriterien zweifelsfrei ergibt.

Vielleicht nimmt das Bundesverfassungsgericht den ausgewiesenen Kenner der Materie, den weltweit bekannten holländischen Historiker und Professor an der Universität Amsterdam Christian Rüthers ernst und hört auf ihn:

Professor Christian Rüthers hat die Behauptung der Staatsanwaltschaft und die Behauptung des Landgerichts, dass Trawniki aus Sobibor fliehen und gefahrlos Befehle verweigern konnten, als das bezeichnet, was es ist, nämlich als

Märchen = Unwahrheit.

Die Verteidigung hatte im Prozess über 30 Aussagen von Trawniki-Wachmännern zusammengestellt und vorgetragen, die bezeugten, dass Befehlsnotstand, Todesangst und Lebensgefahr für den Fall der Verweigerung von Befehlen oder für den Fall der Flucht bestand.

Jakob Engelhardt sagt am 21.8.1975 aus:

Wenn irgendeiner erzählt oder berichtet, was hier geschieht oder das Lager verlässt, wird er bestraft werden. Die Strafe bestand im Zurücksenden zum Kriegsgefangenenlager oder du konntest erschossen werden. Wir waren Kriegsgefangene, immer noch.

Fedor Tikhonovskij sagt am 30.11.1964 aus:

Timoshenko und Potravka wurden von den Deutschen erschossen, als sie Vorbereitungen zur Flucht trafen, um sich den Partisanen anzuschließen.

Mykola Hutsullyak sagt am 6.12.1989 auf die Frage, ob er eine Möglichkeit gesehen habe, den Dienst in der SS zu verweigern:

Wenn ich mich verweigert hätte, hätten sie mein Haus niedergebrannt oder meine Eltern ermordet.

Ivan Kishchuk sagt am 20.2.1995 auf die Frage, ob er im jüdischen Arbeitslager von Trawniki Wache gestanden habe:

Ja, ich habe dies getan, sonst hätten sie mich erschossen.

Stepan Kopytyuk sagte am 4.7.1951:

Die Deutschen erschossen Deserteure der SS-Truppe. Ich hatte deshalb Angst, aus dem SS-Lager zu fliehen.

Litvinenko sagt am 6.2.1969:

Ich wollte den Deutschen nicht dienen, aber aus Angst davor, bei einer Weigerung ihnen zu dienen, erschossen zu werden, habe ich dem Dienst zugestimmt. Die Deutschen erklärten uns, dass jeder, der versuchen würde, zu entfliehen, erschossen würde. Die Mitglieder der Familie würden ebenfalls erschossen werden.

Am 16.10.1968 sagt derselbe:

Wachmann Patyuk floh, er wurde ergriffen und erschossen.

Anastasiy Wrodi sagt am 17.4.1952:

Ich gestehe, dass ich ein schweres Verbrechen gegen das Mutterland begangen habe. Aber ich wurde gezwungen zu diesem Verbrechen durch die Drohung, den Hungertod zu erleiden. Jetzt bedaure ich, dass ich nicht am Hungertod gestorben bin.

Sergej Prikhodko sagt am 9.10.1964 aus:

Der Dolmetscher begrüßte uns als neu angekommenes Personal. Er erklärte, dass jeder, der nicht in diesen Truppen dienen wollte, nach vorne treten sollte. Er fügte hinzu, dass jeder, der aus der Formation nach vorne treten würde, erschossen würde. Nach dieser Warnung ist niemand nach vorne getreten und in dieser Weise haben wir alle den Dienst bei der SS begonnen.

Mykhajlo Prodanyuk sagt am 21.2.1995:

Zwei Männer von der Ostukraine, die mit uns dienten, warfen ihre Waffen auf den Boden und flohen, als die Front näher rückte. Sie wurden später jedoch gefangen.
Als die beiden erschossen wurden, mussten wir aus unseren Baracken, um einen Zirkel um die Hinrichtungsstätte zu bilden. Man sagte uns, wenn einer von uns fliehen würde, wie diese beiden es getan hätten, würden wir ebenfalls erschossen.

Emanuil Shults berichtet am 13.7.1961:

Ich erinnere mich, dass wir vor Beginn der Schulung erklärt bekamen, dass jeder, der sich weigern würde, in der SS zu dienen, in ein Konzentrationslager geschickt würde und nicht in ein Kriegsgefangenenlager. Ich glaube, dass diese Erklärung vom Lagerkommandanten Streibel selbst gemacht wurde.

Am 19.2.1961 sagt derselbe:

Als ich im Cholm-Kriegsgefangenenlager war, sah ich, wie die Menschen vor Hunger und Krankheit starben. Ich glaubte daran, dass ich dasselbe Schicksal erleiden musste. Natürlich, ich wollte nicht sterben. Ich war jung, ich wollte studieren. Ich habe nach jeder Möglichkeit ausgeschaut, um aus dieser Situation herauszukommen, um mein Leben zu retten. [...]

Um mein eigenes Leben zu retten, habe ich das Training im Trawniki-Camp aufgenommen. [...] Ich habe mir nicht in dieser Zeit vorgestellt, dass die Deutschen mich in den Vernichtungslagern von Sobibor und Treblinka benutzen würden.

Am 19.7.1961 sagt Shults:

Oberhauser warnte uns eindringlich vor den leichtesten Dienstvergehen und der Weigerung, Befehle der Lageradministration nicht auszuführen. Solche Wachmänner würden automatisch mit dem Erschießen bestraft.

Am 28.6.1961 sagt derselbe:

Im Lager herrschte strikte Disziplin. Die Wachmänner wurden für die kleinste Übertretung bestraft. Es gab nur eine Form der Bestrafung: Auspeitschen.

Diese Bestrafungen wurden im Beisein der Formationen ausgeführt. Der schuldige Wachmann wurde ausgezogen, auf einen speziellen Sitz befestigt und sein nacktes Gesäß wurde mit einer Peitsche oder einem Stock geschlagen.

Die Verteidigung hat im Verfahren eine Liste überreicht, die den Nachweis enthielt, dass mindestens 50 Trawniki während ihres erzwungenen Dienstes in den Vernichtungslagern von der SS ermordet wurden.

50 tote Trawniki waren der Beweis dafür, dass die Behauptung der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts, den Trawniki sei die Flucht möglich gewesen und das Risiko sei gering gewesen, die Behauptung einer historischen Unwahrheit, eines „Märchens“ darstellt. Die Verteidigung hatte auf die historisch bekannte Aussage von Pitrow hingewiesen, nach der in der Zeit, in der er in Trawniki war, 120 Trawniki im Wege des Mordes durch die SS hingerichtet wurden. Es kam hinzu, was das Landgericht Hagen im ersten Sobibor-Prozess auf Seite 399 niedergelegt hat:

Allerdings ist nach den unwiderlegten Angaben der Angeklagten davon auszugehen, dass Wirth Angehöriger der ukrainischen Wachmannschaft hat erschießen lassen, wobei es sich aber um Leute gehandelt hat, die entweder verbotene Tauschgeschäfte betrieben hatten oder desertiert und wieder aufgegriffen worden waren.

Auf Blatt 403 des Urteils heißt es:

Zunächst einmal hatte Wirth, wie dargestellt worden ist, jedenfalls den Ruf, ein unbarmherziger Vorgesetzter zu sein, und er bestärkte jedem dieser Angeklagten gegenüber den Eindruck, er werde nicht nur Übles androhen, sondern auch tun, wenn man ihm nicht widerspruchslos gehorche. Außer durch das Auftreten und Gebaren des Wirth, wurde dieser Irrtum auf dem Hintergrund der im damaligen autoritären System bestehenden Befehls-Überbewertung dadurch erheblich bestärkt, dass Wirth ja als Vollstrecker eines Führerbefehls auftrat, also mit der Autorität der höchsten Staatsführung ausgestattet war und dass zum anderen die Aktion Reinhardt mit der höchsten Geheimhaltungsstufe als geheime Reichssache ausgestattet war, mithin auch mit der Schweigepflicht, die den Angeklagten gegenüber ausdrücklich mit der Androhung schärfster Strafen bewehrt war.

Hinzu kam, dass den aus der T4-Aktion kommenden Angeklagten bekannt war, dass dort einige Male vorkommende Verletzungen der Geheimhaltungspflicht schwer geahndet worden waren (Fälle Keimer und Ahrendt).

In den Angeklagten und den übrigen Teilnehmern der Aktion Reinhardt hatte sich dadurch die Meinung gebildet, dass, wenn schon die Verletzung der Schweigepflicht schwer geahndet werde, die viel schwerer wiegende Verletzung der Gehorsamspflicht noch schärfer bestraft werde, möglicherweise mit der Verbringung in ein KZ oder sogar mit der Todesstrafe, vielleicht auch durch stillschweigende Liquidierung verfolgt werden würde. Gerüchte solcher Art fanden in der allgemeinen Atmosphäre des Misstrauens im Lager untereinander und damit auch zur Kenntnis des angeklagten Wachmanns gelangend, fruchtbaren Boden. Bezeichnend dafür sind das damalige Gerede über den Tod des Aufsehers Fichtner im Lager Belzec, ja später auch über den Tod von Wirth und Reichleitner anzuführen, die hinterrücks von ihren eigenen Leuten erschossen worden sein sollten. [...] Die sich hiernach bei den angeklagten Wachmännern Schütt und Unverhau sowie Juhrs und Zierke gebildete entschuldbar irrige Annahme, in einer Zwangslage, das heißt einer Nötigungs-Notstandslage des § 52 Strafgesetzbuch zu sein, kann als Irrtum über die tatsächlichen Grundlagen eines Entschuldigungsgrundes nach den §§ 59, 52 Strafgesetzbuch zum Strafausschluss führen.

Den erdrückendsten Beweis gegen die Schuldfeststellungen des Landgerichts München liefert die Staatsanwaltschaft München selbst im Belzec-Verfahren.

Hier führte der Staatsanwalt aus:

Ohne erst ein SS-Gericht einzuschalten, Verweigerung, Befehlen von ihm zu gehorchen, führte zum sicheren Tod.

Es muss in diesem Zusammenhang auf das verwiesen werden, was Helge Grabitz in ihrem Beitrag „Iwan Demjanjuk zum Tode verurteilt“ in Tribüne, Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, Seite 176 bis 182 vorgetragen hat. Hier heißt es:

Allerdings – und hier liegt in der Schuldfrage der entscheidende Unterschied zu den deutschen Gehilfen – ist bei den Trawniki eine entschuldigende Putativbefehlsnotstandslage im Sinne des § 35 Abs. 2 Strafgesetzbuch generell nicht auszuschließen oder mit der erforderlichen Sicherheit zu widerlegen, das heißt, die irrtümliche Vorstellung über das Vorliegen einer Befehlsnotstandssituation. Bei deutschen Tatgehilfen ist hingegen nur in ganz bestimmt gelagerten Einzelfällen eine entschuldbare Putativbefehlsnotstandslage anzunehmen.

Dieses unterschiedliche rechtliche Ergebnis findet seinen entscheidenden Grund in der Tatsache, dass die Trawniki in ihrer untergeordneten Position, als ehemalige russische Kriegsgefangene im Ausbildungslager, in einer unvergleichlich anderen psychologischen Drucksituation standen, als beispielsweise ihre deutschen Zug- oder Kompanieführer. Ob und gegebenenfalls wie weit sie rechtlos waren, konnten sie im Zweifel nicht ermessen. Für geringfügige Disziplinarverstöße wurden sie mit unangemessenen Strafen belegt. Waren sie angeblich für Trawniki nicht tragbar, wurden sie in die Kriegsgefangenenlager zurückgeschickt – zumindest wurde ihnen damit gedroht, was angesichts der dortigen katastrophalen Zustände den ziemlich sicheren Tod bedeutete.

Diese Angst vor dem beinahe sicheren Krepieren schloss Befehlsverweigerung im Einsatz aus ihrer Sicht aus. Angesichts ihrer Sondersituation ist es zumindest nicht auszuschließen, dass sie mit ihrer eigenen Erschießung rechneten. Ob zu Recht oder zu Unrecht, ist bei der Prüfung des Vorliegens eines Putativbefehlsnotstandes logischerweise völlig gleichgültig.


Die Verfahren wegen Beihilfe zum Mord mussten daher aus dem Grundsatz in dubio pro reo mit der Begründung des nicht ausschließbaren Putativbefehlsnotstandes eingestellt werden.

Zusammenfassend:

Den Strafprozess gegen John Demjanjuk durchzuführen, bedeutete im vorliegenden Fall aufgrund einer mit dem Gesetz unvereinbaren Rechtstheorie den Angeklagten in verfassungswidriger und konventionswidriger Weise entsprechend den Forderungen von OSI und des Simon Wiesenthal Zentrums an die deutschen Justizbehörden zu verurteilen im Wege des Betretens „juristischen Neulandes“.

Juristisches Neuland betreten hieß in diesem Falle,

das Legalitätsprinzip aufzugeben, das Rechtsstaatsprinzip auszuhöhlen, selektive Strafverfolgung durchzuführen, gegen Art. 3 GG und EMRK zu verstoßen, die Beweislast auf den Angeklagten abzuwälzen, auf einen individuellen Tatnachweis zu verzichten, das Tatzeitrecht außer Acht zu lassen, das Rückwirkungsverbot zu verletzen, das Tatzeitstrafrecht aus dem Prozess zu verbannen, ne bis in idem und Art. 54 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) zu verletzen, Anrechnungspflichten nach § 51 Strafgesetzbuch nicht zu erfüllen, Spekulation, Vermutung und die Überzeugung von der eigenen Unfehlbarkeit zu Strengbeweismitteln im Sinne der Strafprozessordnung zu erklären, die historische Wahrheit in ihr Gegenteil zu verkehren.
Deutschland war gut beraten und ist gut damit gefahren, die kleinsten der kleinen Fische nicht vor Gericht zu stellen, nicht anzuklagen, ihre Not anzuerkennen und ihre aussichtslose Lage zu akzeptieren. Das Betreten juristischen Neulands bedeutet, dieses Recht, diese Rechtsprechung zu Unrecht zur Rechtsbeugung zu erklären, nur um einen einzigen Prozess, einen selektiven Prozess gegen den letzten lebenden angeblichen Trawniki, den kleinsten der kleinen Fische führen zu können, mit dem Ziel, auf Kosten dieses alten Mannes Deutschland von der Alleinschuld am Holocaust freizusprechen.
70 Jahre Nachkriegsrechtsprechung, 70 Jahre Überzeugung von Ludwigsburg, Staatsanwaltschaften, Generalstaatsanwälten und Justizministerien sowie aller Gerichte Deutschlands werden zu Blindflügen der Justiz erklärt, um die Versäumnisse der deutschen Justiz gegenüber den Nazibossen auf einen Menschen abladen zu können, auf einen verhandlungsunfähigen schwerkranken Greis, mit Namen John Demjanjuk.

Wie abseits von Recht und Gesetz, von Verfassung und Konvention dieser Prozess geführt wurde, ergibt sich aus einem Interview des Spiegel Online mit dem Nebenklägervertreter Prof. Nestler. Es heißt hier:

Spiegel Online: Derweil berichten Historiker und Sachverständige über die Abläufe im Vernichtungslager Sobibor. Wann wird es um die individuelle Schuld Demjanjuks gehen?
Nestler: Selbstverständlich muss hier wie in jedem anderen Strafverfahren die individuelle Schuld festgestellt werden. Aber darum geht es ja bei jedem einzelnen Verhandlungstag: Um das, was Wachmänner wie John Demjanjuk in Sobibor gemacht haben.
Spiegel Online: Mehrere Dokumente sprechen dafür, dass Demjanjuk von der SS für den Massenmord ausgebildet und nach Sobibor verlegt wurde. Aber muss ihm die Anklage nicht nachweisen, was er dort genau getan hat?

Nestler: Wir wissen aus Zeugenaussagen und aus historischer Forschung recht genau, was die Aufgabe der Wachmänner im Lager war. Und die Wachmänner selbst wussten es auch. Deshalb ist alles, was Demjanjuk in Sobibor getan hat, als Beihilfe zum Massenmord zu werten.
Spiegel Online: Wird er damit nicht für etwas angeklagt, was möglicherweise andere begangen haben?

Die neue Ermittlergeneration weiß von Historikern und Sachverständigen angeblich, was Wachmänner, wie John Demjanjuk in Sobibor gemacht haben. Damit weiß die neue Ermittlergeneration aber noch lange nicht, ob John Demjanjuk das gemacht hat, was Wachmänner wie John Demjanjuk in Sobibor gemacht haben. Eine Schuld des Angeklagten hat nach unserem Schuldstrafrecht die unverzichtbare Voraussetzung, dass die neue Ermittlergeneration den Beweis erbringt, dass John Demjanjuk in Sobibor das gemacht hat, was nach Historikern und Sachverständigen Wachmänner wie John Demjanjuk in Sobibor gemacht haben.
Der Interviewausschnitt ist das Zeitdokument der juristischen Hilflosigkeit der neuen Ermittlergeneration, gleichzeitig ein juristisches Armutszeugnis. John Demjanjuk soll schuldig sein, weil wir wissen, was Wachmänner wie John Demjanjuk in Sobibor gemacht haben, während wir nicht wissen, was John Demjanjuk selbst in Sobibor gemacht hat. Das hat mit Beweisführung, mit Rechtsfindung und Gerechtigkeit nichts mehr zu tun.

Das Bundesverfassungsgericht hat all dem, obwohl ständig von dem Angeklagten angerufen und um Hilfe gebeten,
tatenlos zugesehen.

Indem es trotz verfassungsrechtlicher Verpflichtung zum Eingreifen nicht eingegriffen hat, hat es in den Augen der Weltöffentlichkeit die zahllosen Rechtsbrüche und Rechtsverletzungen im Verfahren John Demjanjuk gebilligt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die historische Verantwortung für diesen Prozess und dessen Ausgang übernommen.

B.

Der Schuldspruch des Landgerichts München, der schon vor dem ersten Prozesstag, dem 30.11.2009, feststand, wurde am 12.5.2011 verkündet. Zur Abfassung des Urteils nahm sich das Landgericht München die gesetzlich zugelassene Höchstzeit von etwas mehr als 5 Monaten. Die Beanspruchung der gesetzlichen Höchstzeit stand in unvereinbarem Widerspruch mit den vom Verhandlungstag zu Verhandlungstag wiederholten „Beschimpfungen“ der Verteidigung, diese würde das Verfahren verzögern, in die Länge ziehen und gegen das Beschleunigungsinteresse des sowohl hochbetagten als auch schwer kranken und sehr eingeschränkt verhandlungsfähigen Angeklagten verstoßen. Nach Erhalt des Urteils reichte die Verteidigung die mehr als 800 Seiten umfassende Revisionsbegründung beim Landgericht 3 Wochen später ein. Statt nunmehr das Verfahren zu beschleunigen, befanden sich die Akten noch 5 Monate später, mithin am 17.3.2012, immer noch bei der Generalstaatsanwaltschaft in München, die genau im gleichen Gebäude, wie das Landgericht München, ihren Sitz hat. Die Akten hatten somit das Gebäude des Landgerichts München II 10 Monate nach Erlass des Urteils noch nicht verlassen, sie waren nicht einmal verpackt oder gar auf dem Weg nach Karlsruhe zum Bundesgerichtshof.

Am 17.3.2012 verstarb der Angeklagte.

C.

Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft stellte das Landgericht München II unter dem 5.4.2012 das Verfahren gegen den verstorbenen Angeklagten ein. Die Entscheidung lautete wie folgt:

Beschluss

der 1. Strafkammer des Landgerichts München II als Schwurgericht vom 5.4.2012

I. Das Verfahren wird eingestellt.

II. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
Gründe:

1. Mit Urteil vom 12.5.2011 verhängte die Kammer gegen den Angeklagten wegen 16-facher Beihilfe zum Mord an insgesamt mindestens 28.060 Menschen eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. Gegen diese Entscheidung legten die Staatsanwaltschaft München I und der Angeklagte Revision ein, über die nicht entschieden ist.

2. Am 17.3.2012 ist der Angeklagte verstorben. Das Verfahren ist daher entsprechend § 206 a StPO einzustellen.

3. Gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.

Der Angeklagte war nach 91-tägiger Hauptverhandlung mit umfangreicher Beweisaufnahme der 16-fachen Beihilfe zum Mord schuldig gesprochen worden. Der Schuldspruch beruhte auf einer ausführlichen Beweiswürdigung zu den Tatsachenfeststellungen und einer Erörterung sämtlicher maßgeblicher Rechtserwägungen. Auch wenn die Verurteilung mangels Revisionsentscheidung nicht mehr in Rechtskraft erwachsen konnte, kommt § 467 Abs. 1 StPO nicht zur Anwendung.

Das Verfahrenshindernis ist nach der Ausgangsverurteilung eingetreten. Die Dauer der Hauptverhandlung von knapp eineinhalb Jahren resultierte zu wesentlichen Teilen aus der zeitraubenden Verteidigungsstrategie mit einer exessiven Nutzung der Erklärungsrechte des § 257 Abs. 2 StPO, häufig unter vielfacher Wiederholung bereits mitgeteilter Argumente, der Stellung von rund 500 Beweisanträgen, darunter zahlreiche gerichtet auf die Erhebung von bereits erhobenen und unmöglichen Bewiesen, so etwa die Vernehmung von bereits verstorbenen Personen, und nicht zuletzt der Anbringung von jeweils über 20 Ablehnungsgesuchen gegen jeden der erkennenden Berufsrichter, ebenfalls häufig unter Wiederholung bereits verbeschiedener Argumente und Erwägungen. Die Hauptverhandlung hätte auch bei voller Wahrung der Verteidigerrechte binnen weniger Monate zu einem Abschluss gebracht werden können, wenn die prozessualen Rechte zielführend, strukturiert und sachlich ausgeübt worden wären.

Ein rechtskräftiger Verfahrenabschluss zu Lebzeiten des Angeklagten wäre daher  möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund ist es im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung auch ohne abschließende Schuldzuweisung nicht geboten, eine Erstattungsforderung gegen die Staatskasse auszusprechen.

Für einen weitergehenden Ausspruch zur Erstattung von Kosten oder Auslagen, insbesondere betreffend die Nebenkläger, besteht keine Rechtsgrundlage.

Lenz                                                                           Wölfel                                                             Feneberg
Richter                                                                       Richterin                                                                    Richter
am Landgericht                                             am Landgericht                                             am Landgericht

Die Entscheidung sticht jedem Rechtskundigen in ihrer Verfassungswidrigkeit unmittelbar ins Auge. Geht man davon aus, dass allein der Tod des Angeklagten das Verfahrenshindernis war, musste das Verfahren nicht nur eingestellt werden, sondern es musste ausdrücklich tenoriert werden:
Das Verfahren wird auf Kosten der Staatskasse eingestellt.

Darüber hinaus musste spätestens seit der Entscheidung des BGH im 45. Band neben der Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Angeklagten auch eine Entscheidung nach § 6 StrEG herbeigeführt werden, nämlich entschieden werden, ob der Angeklagte für die durch die Zwangsdeportation und seine anschließende zweijährige Haft entstandenen Schäden immaterieller sowie materieller Art entschädigt werden musste.

Hierüber ließ das Landgericht, obwohl die Entscheidung des BGH im 45. Band als herrschende Meinung bekannt, kein Wort verlauten.

Gegen die Entscheidung wurde von den Beschwerdeführern sofortige Beschwerde gem. § 206 a Abs. 2 StPO eingelegt. Die Beschwerde wurde begründet mit folgenden Schriftsätzen:

Schriftsatz vom 26.3.2012, enthaltend sofortige Beschwerde.

Zusammenfassend wurde eine vorläufige Begründung erstellt und folgende Argumente angebracht:

- Die Verfahrenseinstellung sei nicht auf Kosten der Staatskasse erfolgt

- Es fehle an einer Entscheidung über die Entschädigung des Angeklagten für die erlittene Polizei- und Untersuchungshaft

- Die Entscheidung, die notwendigen Auslagen des Angeklagten nicht der Staatskasse aufzuerlegen, verstoße gegen Art. 6 EMRK. Die Revisionsbegründung und deren Ergänzungen wurden in Bezug genommen.

- Es fehle an jedweder Erörterung der dem Verfahren als solchen entgegen stehenden anderen Verfahrenshindernisse, wie sie in der Revisionsbegründung und ihren Ergänzungen aufgeführt seien. Das Urteil des LG München II sei in jeder Beziehung nicht prozessordnungsgemäß zustande gekommen und stelle ein krasses Fehlurteil dar.

- Der Beschluss gehe in keiner Weise auf die entsprechenden Revisionsbegründungen und deren Ergänzungen ein.

- Der Beschluss sei mit den Grundsätzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in NSTZ 1992, Seite 289 und 290 sowie BGH NSTZ 2000, 330, 331 nicht vereinbar. Der Beschluss stelle eine Schuldzuweisung an den Angeklagten dar.

- Die Dauer der Hauptverhandlung und die Verteidigungsstrategie seien keine Maßstäbe für die nach § 467 StPO und Art. 6 Abs. 2 EMRK zu treffenden Entscheidungen.

Im Übrigen wurde Akteneinsicht beantragt und eine Vertiefung der Begründung in Aussicht gestellt.

Mit Schriftsatz vom 17.3.2012 traten die Beschwerdeführer Vera Demjanjuk und John Demjanjuk jun. der Beschwerde bei. Beide Personen seien aktivlegitimiert. Sie verfolgten zwingend den gegebenen Rehabilitationsanspruch für den verstorbene Ehemann bzw. Vater weiter. Sie seien berechtigt, aus Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 2 EMRK sowie Art. 25 EMRK. Auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 25.8.1987, AZ: 10300/83 wurde verwiesen.

Unter dem 16.4.2012 wurde die sofortige Beschwerde umfassend begründet und die Verletzung des Art. 101 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 bis 3, Art. 1, Art. 2, Art. 3 GG sowie die Verletzung des Art. 6 Abs. 2 EMRK gerügt.

Es wurden folgende Anträge gestellt:

1. Die Sache wird dem  Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

2. Der Beschluss des Landgerichts München II vom 5.4.2012 wird aufgehoben und für Null und nichtig erklärt.

3. Hilfsweise:

a.) Unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München II vom 12.5.2011 mit samt seinen Feststellungen wird der Angeklagte freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten. Der Angeklagte ist für die erlittene Polizei- und Untersuchungshaft sowie Auslieferungshaft nach dem StrEG zu entschädigen.

b.) Unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München II vom 12.5.2011 mit samt seinen Feststellungen wird das Verfahren gegen den Angeklagten eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten. Der Angeklagte ist für die erlittene Polizei- und Untersuchungshaft sowie Auslieferungshaft nach dem StrEG zu entschädigen.

c.) Das Urteil des Landgerichts München II vom 12.5.2011 wird für gegenstandslos erklärt und das Verfahren gegen den Angeklagten eingestellt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten. Der Angeklagte ist für die erlittene Polizei- und Untersuchungshaft sowie Auslieferungshaft nach dem StrEG zu entschädigen.

Im Übrigen wurde die Beschwerde wie folgt begründet:

1. Beachtung der Grundsätze der Entscheidung BGHSt Band 45, Seite 108 ff.

Nach den Grundsätzen der vorgenannten Entscheidung, die von der ausschließlichen Anwendbarkeit des § 206 a StPO im dort entschiedenen Fall ausgeht, ist beim Tode des Angeklagten durch einen konstitutiven Beschluss das Verfahren förmlich einzustellen. Eine Selbstbeendigung des Verfahrens, wie sie noch im BGHSt 34, Seite 184 vertreten wurde, kommt danach nicht in Frage.

Da die Schuldfrage durch den Tod des Betroffenen nicht mehr im Sinne eines rechtskräftigen Schuldspruches geklärt werden kann, und in vollem Umfang die Unschuldsvermutung eingreift, muss der konstitutive Einstellungsbeschluss nicht nur die Einstellung des Verfahrens als solches kostitutiv aussprechen, sondern darüber hinaus auch Kostenentscheidungen über die Kosten des Verfahrens, die notwendigen Auslagen des Angeklagten und die Entschädigungspflicht im Sinne der §§ 5 ff.  StrEG enthalten. Das bedeutet, dass der konstitutive Einstellungsbeschluss ausdrücklich aussprechen muss, dass die Kosten des Verfahrens der Staatskasse aufgebürdet werden. Schon daran fehlt es bei dem angegriffenen Beschluss.

Ferner fehlt es bei dem angegriffenen Beschluss an einer Entscheidung über die Entschädigung des Angeklagten für die von ihm erlittene Polizei-, Auslieferungs- und Untersuchungshaft. Auch hierüber musste sich der Beschluss ausdrücklich und umfassend verhalten, eine Entscheidung fehlt gänzlich.

Was die Frage der Überbürdung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse angeht, ist hierüber gem. § 467 Abs. 1 StPO zu entscheiden.

Nach dem Willen des Gesetzgebers ist § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO nur in Ausnahmefällen anwendbar. Im angegriffenen Beschluss werden zwar zu dieser Entscheidung Ausführungen gemacht, die jedoch sämtlich umfassend neben der Sache liegen und außerhalb des gerichtlich vorgeschriebenen Prüfungsmaßstabes und mit Art. 3 GG in Verbindung mit Art. 6  Abs. 2 und § 467 Abs. 1 StPO unvereinbar sind.

Der Beschluss stellt in diesem Zusammenhang darauf ab, dass ein rechtskräftiger Verfahrensabschluss zu Lebzeiten des Angeklagten möglich gewesen wäre. In diesem Zusammenhang verteidigt der Beschluss den Schuldspruch der 1. Strafkammer und stellt ausdrücklich auf diesen ab. Die Rechtskraft des Schuldspruches sei ausschließlich durch das Verteidigungsverhalten und durch die Verteidigungsstrategie verhindert worden. Wären die prozessualen Rechte der Verteidigung zielführend, strukturiert und sachlich ausgeübt worden, wäre der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen.

Diese Ausführungen sind mit dem Gesetz unvereinbar.

Die Kammer hatte im Zusammenhang mit der zu treffenden Entscheidung zu prüfen, ob der Angeklagte ohne das Vorliegen von Verfahrenshindernissen mit Sicherheit rechtskräftig verurteilt worden wäre, vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 26.10.2000 – 2 SS 220/00.

Dabei konnte die Kammer nicht auf ihr Urteil zurückgreifen, weil dies mit dem Tod des Angeklagten gegenstandslos wurde und somit in Wegfall geriet. Die Einstellungsentscheidung nach § 206 a StPO ist in diesen Fallen

Erstentscheidung im Sinne des Gesetzes, die das Verfahren zum rechtskräftigen Abschluss bringt.

Die Vorgehensweise und die Entscheidungsgründe der Kammer in dem angegriffenen Beschluss sind mit diesen Grundsätzen unvereinbar.

Der vom Landgericht gewählte Maßstab, dass durch die Verteidigungsstrategie eine rechtskräftige Verurteilung des Angeklagten verhindert worden ist, ist für die Frage der Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten nicht nur nicht zielführend, sondern widerspricht direkt und zwingend dem Gesetz. Er ist kein sachlich begründbarer Maßstab für die Verweigerung der Entschädigung des Angeklagten.

Im Übrigen kommt Folgendes hinzu:

Wenn das Landgericht an einer rechtskräftigen Entscheidung zu Lebzeiten des Angeklagten Interesse gehabt hätte, hätte es die schriftliche Urteilsbegründung nicht erst am 27.10., mithin mehr als 5 Monate nach Verkündung des Urteils, zustellen können, sondern innerhalb der Frist von einem Monat, wie sie für die Revisionsbegründungen vorgesehen ist.

Dass im vorliegenden Fall das Landgericht München in Kenntnis des Lebensalters des Angeklagten und in Kenntnis seiner schweren in jedem Fall tödlich verlaufenden Erkrankungen die Frist zur Abfassung der Urteilsbegründung in vollem Umfange ausgeschöpft hat, stellt sich objektiv als Prozessverschleppung und Verhinderung einer Entscheidung durch den Bundesgerichtshof dar.

Darüber hinaus hat das Landgericht München II den Gesetzesbefehl des § 347 StPO objektiv missachtet. An die zahlreichen Anfragen und Mahnungen seitens der Verteidigung zur Durchführung des Gesetzesbefehls des § 347 StPO sei erinnert. Die staatsanwaltschaftliche Erklärung vom  20.2.2012 beweist jedoch, dass die Revisionsbegründungsschrift der Verteidigung bis zum heutigen Tage nicht weiter geleitet wurde, mithin in der denkbar massivsten Form gegen die Gesetzesvorschrift des § 347 StPO objektiv verstoßen wurde. Auch dies ist Prozessverschleppung und objektive Verhinderung einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes in dieser Sache, in der der Angeklagte einen vollen Rehabilitationsanspruch hatte.

Die staatsanwaltschaftliche Erklärung vom 20.2.2012 wird in der Anlage überreicht und zum Inhalt des diesseitigen Vortrages gemacht.

In diesem Zusammenhang wird auf die Entscheidung des BGH im 35. Band, Seite 137 ff. verwiesen. Hier heißt es:

Ist die Revision rechtzeitig eingelegt und sind auch – wie hier – die Revisionsanträge rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form angebracht, so ist die Revisionsschrift nach § 347 Abs. 1 Satz 1 StPO dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen.

§ 347 StPO sieht für diesen lediglich eine Frist von einer Woche zur Abgabe einer Gegenerklärung vor. Nach Eingang der Gegenerklärung oder nach Ablauf dieser Einwochenfrist sendet die Staatsanwaltschaft nach § 347 Abs. 2 StPO die Akten an das Revisionsgericht.

2. Beachtung der Grundsätze des BGH Beschluss vom 16.5.2002, 1 StR 553/01

Die Frage, ob der Angeklagte bei Nichteintritt seines Todes mit Sicherheit rechtskräftig verurteilt worden wäre, ist nach den Grundsätzen des Bundesgerichtshofes in seinem vorgenannten Beschluss zu entscheiden.

Aus der Entscheidung wird wie folgt zitiert:

Das Verfahren wurde in erster Instanz bis zur Schuldspruchreife durchgeführt und dem Senat lagen die Revisionsbegründungen nebst Erwiderungen sowie die Stellungnahme des Generalbundesanwaltes vor.

Im Hinblick auf die vorgesehene Revisionshauptverhandlung hat der Senat allerdings berücksichtigt, dass dort noch zusätzliche rechtliche Gesichtspunkte zur Sprache kommen konnten. Darauf durfte insbesondere die Verteidigung bei ihrem schriftlichen Vortrag vertrauen. Da die Revisionshauptverhandlung nicht mehr durchgeführt werden konnte, hat der Senat deshalb den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gegeben, im Hinblick auf die nunmehr zu treffende Entscheidung zu den Erfolgsaussichten der Revisionen Stellung zu nehmen. Nachdem diese Stellungnahmen vorlagen, konnte der Senat die für die revisionsgerichtliche Prüfung maßgeblichen rechtlichen Argumente umfassend prüfen.

Unterstellt man, dass das Landgericht im vorliegenden Falle das zuständige Gericht zur Prüfung der Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Angeklagten und über die Entschädigung des Angeklagten für die durchgeführten Strafverfolgungsmaßnahmen ist, hatte das Landgericht für sich und seine Entscheidungsfindung genau das zu tun, was der BGH in seinem Beschluss vom 16.5.2002, 1 StR 553/01 durchgeführt hat. Das Landgericht musste prüfen, ob die Revision des Angeklagten Erfolgsaussichten hatte oder nicht bzw. ob die Revision der Staatsanwaltschaft Erfolgsaussichten hatte oder nicht. Hierzu musste das Landgericht zunächst nach Art. 103 des GG den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen. Dies ist nicht erfolgt, Verstoß gegen. Art. 103 GG.

Darüber hinaus verhält sich das Landgericht mit keinem Wort über die Erfolgsaussichten der Revisionen, Verstoß gegen Art. 103 GG, Art. 1, 2 und 3 GG sowie Art. 6 Abs. 2 EMRK.

3. Auswirkungen von Befassungs- und Bestrafungsverboten im Sinne von Verfahrens- bzw. Prozesshindernissen

Das Landgericht erwähnt die Revisionsschrift des Angeklagten einschließlich seiner Ergänzungen mit keinem einzigen Wort, womit feststeht, dass das Landgericht diese Revisionsschriften weder zur Kenntnis genommen hat noch verwertet hat, Verstoß gegen Art. 103 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 EMRK. Auf die Revisionsschrift einschließlich ihrer Ergänzungen wird in diesem Zusammenhang in vollem Umfange Bezug genommen.

In jeder Lage des Verfahrens muss das jeweils zuständige Gericht von Amtswegen die oben genannten Verfahrens- bzw. Prozesshindernisse beachten. Im Rahmen des Revisionsverfahrens ist jedoch erforderlich, dass zumindest die „Revisionsförmlichkeiten“ eingehalten wurden und eine zulässige Rüge, zumindest die allgemeine Sachrüge erhoben wurde.

Ausweislich der Revisionsschrift und ihre Ergänzungen ist dies der Fall. Die automatische Rechtsfolge ist die, dass das mit der Sache befasste Gericht von Amtswegen Befassungs- und Bestrafungsverbote zu beachten hat. Werden solche Befassungs- und Bestrafungsverbote mit der Revision geltend gemacht und stirbt der Angeklagte, bevor über die Revision entschieden werden konnte, besteht ein umfassender Anspruch auf Entscheidung über diese Befassungsgebote bzw. Bestrafungsverbote. Der Tod des Angeklagten verhindert nur eine rechtskräftige Schuldzuweisung an den Angeklagten, er verhindert jedoch nicht den Freispruch des Angeklagten auch noch nach seinem Tod bzw. die Einstellung des Verfahrens durch Prozessurteil nach §§ 354, 260 StPO.

Wenn sogar nach rechtskräftiger Schuldfeststellung und Tod noch ein Freispruch des Angeklagten im Wiederaufnahmeverfahren erzielbar ist, muss dies erst recht für den Fall gelten, dass ein rechtskräftiger Schuldspruch nicht ergangen ist und nicht mehr möglich ist. Liegen die mit der Revision und ihren Ergänzungen geltend gemachten Verfahrenshindernisse und Prozesshindernisse vor, worüber das zuständige Gericht von Amtswegen zu entscheiden hat, ist die Revision des Angeklagten, auch wenn er gestorben ist, begründet mit der Folge des Freispruches oder der Einstellung wegen dieser Verbote.

Der Anspruch auf Freispruch bzw. Einstellung durch Prozessurteil entspricht darüber hinaus der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 und ist gegenüber dem Einstellungsbeschluss nach § 206 a StPO vorrangig.

Das Landgericht hat sich über den Anspruch des Angeklagten auf Freispruch bzw.  Einstellung des Verfahrens durch Prozessurteil wegen der zahlreichen Befassungs- und Bestrafungsverbote unter Verletzung des Art. 101 hinweggesetzt. Das Landgericht musste die Sache dem BGH zur Entscheidung vorlegen. Dass im vorliegenden Fall die mit der Revision und ihren Ergänzungen geltend gemachten Befassungs- und Bestrafungsverbote bestanden haben, ist so offensichtlich und handgreiflich, dass die Nichtberücksichtigung der Revisionsbegründung und ihre Ergänzungen durch das Landgericht objektiv sachwillkürlich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und damit ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist.

Dass im vorliegenden Fall der Bundesgerichtshof entscheiden musste, ergibt sich schlichtweg aus der Tatsache, dass der Tatrichter nach Abschluss der Instanz durch Urteil daran gehindert ist, sein Urteil aufzuheben oder abzuändern. Diese Befugnis hat nur das Rechtsmittelgericht.

In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass im vorliegenden Fall die Revision ordnungsgemäß begründet worden ist und zwar in rechter Form und Frist und somit die Voraussetzungen, die der BGH an eine Prüfung durch das Revisionsgericht stellt, im Sinne der Entscheidung des BGH im 16. Band, Seite 115 ff. erfüllt sind.

4. Die Grundsätze der Entscheidung des BGH in BGHSt, Band 12, Seite 217 ff.

Vertritt man im vorliegenden Fall die Auffassung, bei Tod des Betroffenen sei in jedem Falle durch konstitutiven Beschluss nach § 206 a StPO die Einstellung des Verfahrens anzuordnen, verstößt man nach diesseitiger Auffassung gegen die unter Ziffer 3 dargestellten Rechtsgrundsätze. Es ist offensichtlich, dass die Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Angeklagten als auch über die Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen bei Vorliegen von Befassungs- und Bestrafungsverboten immer zu Gunsten des Angeklagten ausgehen müssen, und zwar ganz automatisch, nicht aber zu dessen Lasten ausgehen könnte, wie bei Anwendung nur des § 206 a StPO unter Berücksichtigung des Ermessensspielraums des zuständigen Gerichts denkbar oder möglich.

Der Weg über die §§ 354, 260 StPO ist im vorliegenden Fall um so zwingender der richtige Weg, der  gesetzlich zwingend zu beschreiten ist, weil die Befassungs- und Bestrafungsverbote im vorliegenden Fall bereits vor Beginn des Ermittlungsverfahrens, vor Erhebung der Anklage, vor Eröffnung und Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung und vor der Hauptverhandlung und vor dem erstinstanzlichen Urteil bestanden. Die in der Revisionsbegründung und deren Ergänzungen aufgeführten Befassungs- und Bestrafungsverbote, die sämtlich offensichtlich durchgreifen, verboten es sämtlichen Ermittlungsbehörden der Bundesrepublik Deutschland, in dieser Sache tätig zu werden, ja sie verboten den Ermittlungsbehörden der Bundesrepublik Deutschland, auch nur einen Haftbefehl gegen den Angeklagten zu erwirken und dessen Zwangsdeportation nach Deutschland durch die USA zu ermöglichen.

Stellt man sich gleichwohl auf den Standpunkt, § 206 a StPO sei anwendbar, ergibt sich die Frage nach dem zuständigen Gericht. Grundsätzlich hat die Einlegung des Rechtsmittel der Revision nicht nur den Effekt, den Eintritt der Rechtskraft zu verhindern, sondern darüber hinaus den Devolutiveffekt, das heißt, das Verfahren wird aus der ersten Instanz in die Rechtsmittelinstanz, hier die Revisionsinstanz, verbracht.

Betrachtet man jedoch die Rechtsprechung zu § 347 StPO, soll angeblich bis zum Eingang der Verfahrensakten beim Revisionsgericht die Sache trotz des Devolutiveffektes noch beim Tatrichter verblieben sein. Die Sache werde erst mit Eingang der Akten beim Revisionsgericht dort anhängig. Verträte man diese Auffassung, müsste das Landgericht, nicht aber der Bundesgerichtshof bei Tod des Angeklagten und bei Nichtvorliegen von Bestrafungs- und Befassungsverboten im konstitutiven Beschluss über die Einstellung des Verfahrens sowie die Entscheidungen über die notwendigen Auslagen des Angeklagten und die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen treffen. Dem stehen jedoch durchgreifende Bedenken entgegen. Die Zuständigkeit der Gerichte für Entscheidungen in Strafsachen kann nicht abhängig gemacht werden von dem nicht steuerbaren und nicht überprüfbaren „Eingang der Akten beim Revisionsgericht nach § 347 Abs. 1 Satz 1 StPO“. Hier ist dem Zufall Tür und Tor geöffnet, aber nicht nur dem Zufall allein, sondern auch der Manipulation der Zuständigkeitsfrage. Ist bei einem schwerkranken greisen Angeklagten dessen baldiger Tod zu erwarten, wie dies beim Angeklagten dieses Verfahrens handgreiflich der Fall war, kann durch Zurückhalten der Akten bzw. Nichtweiterleitung der Akten Einfluss genommen werden auf die Zuständigkeitsfrage und die tatsächliche Zuständigkeit im Sinne des Gesetzes. Das zuständige Gericht muss jedoch in jedem Fall und zu jeder Zeit (Art. 101 GG) feststehen und kann nicht von steuerbaren bzw. manipulativen Handlungen von Beteiligten abhängen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass das Urteil des LG München am 27.10.2011 der Verteidigung zugestellt wurde und die Verteidigung vor dem 27.11.2011 die Revisionsbegründung eingereicht hat, die die Rüge der Verletzung von Befassungs- und Bestrafungsverboten einschließlich von Verfahrensrüge enthielt, darüber hinaus die allgemeine Sachrüge, die beispielhaft ausgeführt wurde.

§ 347 StPO ordnete an, dass unmittelbar nach Eingang der Revisionsschrift, spätestens aber am 27.11.2011 die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft zuzustellen war und diese binnen einer Woche eine schriftliche Gegenerklärung einreichen konnte. Geht man von dem Ablauf der Revisionsbegründungsschrift am 27.11.2011 aus (die Revisionsbegründungsschrift lag viel früher der Kammer vor), bestand für die Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Gegenerklärung bis zum 3.12.2011. Am 4.12.2011 musste die Staatsanwaltschaft die Akten an das Revisionsgericht zusenden, welche dort spätestens am 7.12.2011 eintreffen mussten.

§ 347 StPO ist im Übrigen Ausdruck des Beschleunigungsgebotes in Revisionssachen. Geht man von dem früheren Eingang der Revisionsbegründung des Angeklagten aus, hätten die Wirkungen des § 347 StPO bereits vor Ende November 2011 eintreten müssen, die Sache somit vor Ende November beim Revisionsgericht eintreffen müssen.

Aus der Tatsache, dass das Landgericht München den angegriffenen Beschluss erlassen hat, ist zu entnehmen, dass die Akten bis heute nicht den BGH erreicht haben. Dies wird durch die Auskunft der Staatsanwaltschaft München I bestätigt.

Danach steht die Verletzung des § 347 Abs. 1 Satz 1 StPO durch das LG München fest. Es heißt in dem Schreiben:

Die Revisionserklärung der Verteidigung ging der Staatsanwaltschaft München I erst Anfang Februar 2012 im Rahmen der Vorlage gem. § 347 Abs. 1 Satz 1 StPO zu.

Gleichwohl behauptet die Staatsanwaltschaft in der Schrift:

Mit  einer zeitnahen Vorlage der Akten gem. § 347 Abs. 2 kann daher gerechnet werden.

Danach hätten die Akten spätestens bis Ende Februar 2012 dem Revisionsgericht vorgelegt werden müssen und vorliegen müssen, so dass das Revisionsgericht in jedem Fall selbst in der Sache zu entscheiden hat.

Der Verstoß gegen § 347 StPO  (= gesetzliche Festschreibung des Beschleunigungsgebotes im Sinne der Menschenwürde des Art. 1 GG und des Rehabilitationsanspruches im Sinne der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK) bedingt, dass der Angeklagten so gestellt werden muss, wie er stünde, wenn die Bestimmungen des § 347 StPO eingehalten worden wären.

Entscheidend aber ist, dass sich schwerwiegende und durchschlagende grundsätzliche Bedenken gegen eine weitere Anhängigkeit der Sache beim Landgericht mit Zuweisung der Entscheidungskompetenz des Landgericht bei Tod des Angeklagten nach Erlass des Urteils ergeben.

Hierzu wird auf BGH im Urteil vom 16.6.1961, BGHSt 16, Seite 115 ff. verwiesen.

Es heißt hier:

Kein Gericht kann seinen eigenen einmal gefällten Urteilsspruch ändern, wenn es ihn nachträglich als fehlerhaft erkennt. Nur ein zulässiges und wirksam angebrachtes Rechtsmittel verleiht dem übergeordneten Gericht die Befugnis, ein angefochtenes Urteil zu überprüfen und erforderlichenfalls in seinen Bestand einzugreifen. Diese verfahrensrechtlichen Grundsätze gelten für alle Verfahrensarten. ... Sie werden auch nicht dadurch außer Geltung gesetzt oder eingeschränkt, dass er in den § 319 und 346 StPO die Befugnis zur Verwerfung unzulässiger Rechtsmittel teilweise den Instanzgerichten übertrug, um die Rechtsmittelgerichte zu entlasten. Im Gegenteil wird die Unverbrüchlichkeit dieser Grundsätze durch beide Regelungen noch bestärkt und bestätigt. ... Die den Instanzgerichten verliehene, auf bestimmt bezeichnete Fälle beschränkte Befugnis, unzulässige Rechtsmittel zu verwerfen zeigt einmal an, dass sich die Befassung dieser Gerichte mit ihren eigenen Urteilen auf die bloße Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittel beschränkt und in dieser begrenzten Abwehrfunktion erschöpft.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist offensichtlich, dass der Tatrichter, wäre er das zuständige Gericht für den bei Tod des Angeklagten erforderlichen Beschluss nach § 206 a StPO, verpflichtet ist, die Erfolgsaussichten der Revision im Sinne der Entscheidung des BGH im Beschluss vom 16.5.2002 gegen sein eigenes Urteil zu überprüfen, was der Tatrichter nicht leisten kann und  nicht leisten darf.

Der Tatrichter müsste, eben noch von der Schuld des Angeklagten überzeugt, diesen nunmehr möglicherweise freisprechen bzw. das Verfahren durch Prozessurteil einstellen und sein eigenes Urteil aufheben und für gegenstandslos erklären.

Dass dem Tatrichter eine solche Entscheidung verboten ist, ist so offensichtlich, dass die Unzuständigkeit des Landgerichts München zum Erlass des angefochtenen Beschlusses offen auf der Hand liegt. Insbesondere der an dem Beschluss beteiligte Richter am Landgericht Lenz als Berichterstatter im Beschlussverfahren war überhaupt nicht in der Lage, sich von seiner Überzeugung über die Schuld des Angeklagten, die er bei seiner Mitwirkung im Erstverfahren gewonnen hatte, zu lösen, es war ihm darüber hinaus nicht einmal gestattet, sondern von Gesetzeswegen verboten, sein eigenes Urteil auf dessen Richtigkeit und seinen Bestand zu überprüfen.

Es kommt hinzu, dass das Landgericht nach Beendigung der Instanz durch Urteil und unter Berücksichtigung des Devolutiveffektes nur solche Zuständigkeiten wahrnehmen kann, die ausdrücklich im Gesetz ihm trotz Einleitung des Rechtsmittelverfahrens durch die Revisionseinlegung zugewiesen sind. Das Vorliegen und die Existenz einer entsprechenden Gesetzesnorm ist zwingende Voraussetzung für die Bestimmung des gesetzlichen Richters Sinne des Art. 101 GG. Dieser muss in jeder Lage des Verfahrens unzweifelhaft feststehen.

Soweit der BGH in seiner Entscheidung im 12. Band, Seite 218 ff. die Auffassung vertritt, dass beim Rechtsmittelgericht eine Anhängigkeit des Verfahrens in dem angegebenen Sinne erst begründet ist, wenn ihm nach prozessordnungsgemäßer Vorbehandlung die  Akten zur Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel zugegangen sind, kann dem nicht gefolgt werden.

Dass im vorliegenden Fall der nach Art. 6 Abs. 2 EMRK sowie nach Art. 1, 2, 3 GG gebotene Überprüfung der Revisionsaussichten sowohl hinsichtlich der aufgeführten Prozesshindernisse als auch hinsichtlich der Verfahrensfehler, die dem Landgericht unterlaufen sind, schließlich auch wegen der erhobenen allgemeinen Sachrüge, die beispielhaft aufgeführt worden ist, Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, liegt auf der Hand und drängt sich geradezu auf.

Die Revision war offensichtlich und handgreiflich begründet.

Die Staatsanwaltschaft nahm unter dem 18.4.2012 Stellung und erklärte, dass die erhobene sofortige Beschwerde

zulässig sei unter Hinweis auf Meyer-Gossner, § 464 StPO, Rd-Nr. 22.

Sie sei jedoch unbegründet. Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft aus:

I.

1.) Nachdem der Angeklagte am 17.3.2012 verstorben ist (vgl. Bl. 14715 d.A.) hat die 1. Strafkammer des Landgerichts München II mit Beschluss vom 5.4.2012 (Bl. 14734/14736 d.A.) das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 206 a Abs. 1 StPO eingestellt und gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.

2.) Die Verteidigung hatte zuvor in den Schriftsätzen vom 19.3.2012 (Bl. 14730 d.A.) bzw. 23.3.2012 (Bl. 14721 d.A.) beantragt, auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen. Die Staatsanwaltschaft München I beantragte demgegenüber mit Verfügung vom 30.3.2012 (Bl. 14731 d.A.) die nun getroffene Kostenentscheidung.

3.) Mit Schriftsatz vom 12.4.2012 (Bl. 14737 d.A. = Bl. 14747/14748 d.A.), welche irrtümlich auf den 26.3.2012 datiert (vgl. Schriftsatz vom 16.4.2012 – Bl. 14739), erhob der Verteidiger RA Dr. Busch sofortige Beschwerde.

In dieser wird zunächst der Umstand gerügt, dass die Verfahrenseinstellung durch das Hauptsachegericht und nicht den Bundesgerichtshof ergangen ist. Darüber hinaus bemängelt die Verteidigung primär die ergangene Kostenentscheidung auf Grundlage des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO. Letztlich wird auch bemängelt, dass ein Ausspruch über die Entschädigung nach dem StrEG unterblieben ist.

4.) Der Vorsitzende der 1. Strafkammer hat die Akten mit Verfügung vom 13.4.2012 zum Zwecke der Vorlage der Akten an das Oberlandgericht München zugeleitet (Bl. 14738 d.A.).

5.) Mit Schriftsatz vom 16.4.2012 (Bl. 14739/14746 d.A.) stellte der Verteidiger in Ergänzung des Beschwerdeschriftsatzes zunächst die falsche Datierung des Beschwerdeschriftsatzes richtig und übersandte einen neuen Beschwerdeschriftsatz mit richtigem Datum (= 12.4.2012 – vgl. Bl. 14747/14748 d.A.). Darüber hinaus begehrt der Verteidiger, der nun auch auf die Erben des Angeklagten lautende Vollmachten einreichte (vgl. Bl. 14749/14751 d.A.), erneut die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, mit dem Ziel (in den Hilfsanträgen), die Aufhebung des Urteils des Landgerichts München II vom  12.5.2011 zu erreichen.

II.

Die vom Verteidiger nach Ableben des Angeklagten Demjanjuk erhobene sofortige Beschwerde erweist sich zwar als zulässig, (vgl. Meyer-Goßner § 464 StPO Rd-Nr. 22), jedoch als unbegründet.

1.) Zur angeblichen Unzuständigkeit des Landgerichts:

a) Das Verfahren war gemäß § 206 a Abs. 1 StPO durch das Landgericht München II einzustellen, da der Angeklagte vor rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens verstorben ist (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 32, BGHSt 45, 108). Das angefochtene Urteil ist mit diesem Beschluss gegenstandslos, ohne dass es einer Aufhebung bedarf (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 32; BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 2).

b.) Da sich die Akten nach Fertigung des Revisionsvorlageberichtes (vgl. Bl. 14698ff. d.A.) zum Zeitpunkt des Ablebens des Angeklagten (vgl. B. 14715 d.A.) – aufgrund der auch durch die  Staatsanwaltschaft München erhobenen Revision – noch bei der Generalstaatsanwaltschaft München befanden (vgl. Aktenübersendungsschreiben vom 19.3.2012 – Bl. 14716 d.A.), war das Verfahren noch nicht beim Bundesgerichtshof anhängig. Denn erst mit dem Eingang der Akten (nach § 347 Abs. 2 StPO) bei diesem wird die Sache beim Revisionsgericht anhängig (vgl. BGHSt 38, 307 (308); BGH NJW 1999, 2380).

c.) Nachdem sich die Zuständigkeit der gerichtlichen Entscheidung – auch hinsichtlich einer Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses gemäß § 206 a StPO (bzw. § 206 a StPO analog) – nach der Anhängigkeit des Verfahrens richtet (vgl. Meyer-Goßner § 347 StPO Rd-Nr. 8; Kuckein in Karlsruher Kommentar zur StPO – 6. Auflage § 347 StPO Rd-Nr. 11 – jeweils m.w.N.), war – auch wenn bereits die Revision durch den Angeklagten zum Zeitpunkt des Ablebens erhoben war – entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sehr wohl die Strafkammer als Hauptsachegericht zur Entscheidung über die Verfahrenseinstellung berufen. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass dies auch der Grund dafür ist, dass der Antrag der Verteidigung vom 19.3.2012 seitens des 2. Strafsenates des Bundesgerichtshofes mit Schreiben vom 30.3.2012 dem Landgericht München II zuständigkeitshalber übersandt wurde (vgl. Bl. 14729 d.A.).

d.) Aus diesem Grunde sind auch die im die sofortige Beschwerde ergänzenden Schriftsatz vom 16.4.2012 gestellten Anträge unbegründet.

Eine Entscheidungsbefugnis des Revisionsgerichts ist – nachdem das Verfahren dort nicht anhängig gemacht wurde (siehe oben) – nicht gegeben. Das Gesetz sieht eine Fortsetzung des Strafverfahrens nach dem Ableben des Angeklagten nicht vor, so dass die von der Verteidigung begehrten Feststellungen im Strafverfahren nicht getroffen werden können.

2. Zur angefochtenen Kostenentscheidung:

Auch insoweit erweist sich die sofortige Beschwerde als unbegründet. Die Anwendung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO begegnet hier keinen Bedenken und erweist sich insbesondere nicht als ermessensfehlerhaft.

a.) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO sind nämlich bereits dann erfüllt, wenn bei dem bei Feststellung des Verfahrenshindernisses gegebenen Verfahrensstand ein zumindest hinreichender Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Durchführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellt (vgl. BGH NJW 2000, 1427-1429; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 224; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 126-127, OLG Frankfurt / Main NStZ-RR 2002, 246-247).

b.) Damit setzt die Ermessensentscheidung zwingend eine Verdachtsprüfung voraus. Hier ist bereits ein erstinstanzliches Urteil mit Schuldspruch ergangen, so dass die Frage der „Verdachtsprüfung“ hier nicht weiter dargelegt werden muss.

c.) Eine weitergehende Prüfung des Revisionsvorbringens der Verteidigung durch das Erstgericht ist hingegen im Rahmen der Prognoseentscheidung des § 467 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht veranlasst. Nur dann, wenn das Revisionsgericht bereits mit der Sache (aufgrund der Anhängigkeit) befasst ist, ist es sachgerecht, den Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts anzulegen, nämlich ob das Rechtsmittel gewisse Erfolgsaussichten gehabt hätte (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 32) bzw. ob die Verurteilung bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses „sicher erscheint“ (vgl. insoweit Meyer-Goßner § 467 StPO Rd-Nr. 16 a.E.).

Daher ist die Entscheidung über die Kostentragung gemäß § 467 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StPO nicht zu beanstanden.

3. Zur unterbliebenen Entscheidung über StrEG:

Zutreffend weist der Beschwerdeführer jedoch darauf hin, dass über den im Schriftsatz vom 26.3.2012 (Bl. 14725 d.A.) enthaltenen Antrag auf Gewährung von StrEG in dem angefochtenen Beschluss nicht entschieden wurde.

a.) Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG hatte die Strafkammer  über die Verpflichtung zur Entschädigung in dem das Verfahren abschließenden Beschluss (hier der Beschluss gemäß § 206 a  StPO) zu entscheiden. Denn auch der Einstellungsbeschluss gemäß § 206 a StPO aufgrund des Todes des Angeklagten beendet das Verfahren grundsätzlich als ganzes (vgl. Meyer – StrEG, 7. Auflage, Rd-Nr. 13). Das in § 8 Abs. 1 Satz  2 StPO vorgesehene besondere Beschlussverfahren kann hier nicht zur Anwendung kommen. Dies wäre nämlich nur dann möglich, wenn die Entscheidung nicht in der Hauptverhandlung oder der das Verfahren abschließenden Entscheidung hätte getroffen werden können. Es ist nicht ersichtlich, warum die Entscheidung über StrEG nicht im Beschluss des 5.4.2012 hätte ergehen können. Aus diesem Grunde ist der strengen Ansicht zu folgen, wonach das gesonderte Beschlussverfahren auf absolute Ausnahmefälle beschränkt sein muss (vgl. Meyer – StrEG – 7. Auflage § 8 Rd-Nr. 18 – 20) und die versehentlich unterlassene Entscheidung grundsätzlich nicht nachholbar, sondern nur mit der sofortigen Beschwerde angreifbar ist (vgl. OLG München vom 3.12.1996, GZ. 2 Ws 536/96; KG Berlin vom 10.3.2009 – AZ: 2 Ws 9/08 – beides zitiert nach juris.de; LG München I vom 7.2.2012, AZ: 21 Qs 9/12).

b.) Letztlich ist die hierauf bezogene Beschwerde jedoch unbegründet, da ein Versagungsgrund gegeben ist.

Eine Entschädigung für die durchgeführten Strafverfolgungsmaßnahmen (insbesondere Untersuchungshaft) ist vorliegend gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG zu versagen.  Das hiesige Verfahren gegen den Angeklagten Demjanjuk, gegen den bereits ein erstinstanzliches Urteil ergangen war, wurde nur deshalb eingestellt, weil durch sein Ableben ein Verfahrenshindernis eingetreten ist. Gerade weil nach einer sehr umfangreichen Beweisaufnahme ein Schuldspruch ergangen ist und der Angeklagte sich über seine Verteidigung in der sich über mehrere Monate hinziehenden Hauptverhandlung hinreichend Gehör verschaffen konnte, steht vorliegend die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG auch nicht in einem Konflikt mit Art. 6 EMRK ( vgl. hierzu auch Meyer a.a.O. § 6 Rd-Nr. 32).

Soweit im Rahmen der sofortigen Beschwerde und der Beantwortung der sofortigen Beschwerde durch die Staatsanwaltschaft die Frage der Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes problematisiert wurde, ist diese Problematik, wie oben dargestellt, Gegenstand der Verfassungsbeschwerde – 2 BvR 1933/12 – gewesen. Im Rahmen dieser Verfassungsbeschwerde wird darauf verwiesen und die Argumentation hier nicht noch einmal vertieft. Spätestens der Europäische Gerichtshof wird im Rahmen der Rüge der Verletzung des fairen Verfahrens die Frage im Sinne der Verfassungsbeschwerdeführer entscheiden und den BGH bezüglich der verfahrensbeendenden Entscheidungen für zuständig erklären. Der Entzug des gesetzlichen Richters ist zugleich ein Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens.

Mit Beschluss vom 4.10.2012 hat das Oberlandesgericht München – 4 Ws 169/12 K – wie folgt entschieden:

Der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat am 4. Oktober 2012 in dem Strafverfahren gegen John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord

hier: sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. Ulrich Busch namens des früheren Angeklagten und namens dessen Erben  Vera Demjanjuk und John Demjanjuk jun. gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 5.4.2012

beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. Ulrich Busch namens des früheren Angeklagten, namens dessen Witwe Vera Demjanjuk und dessen Sohn John Demjanjuk jun., gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 5.4.2012 wird als zulässig verworfen.

Gründe:

I.

Das Landgericht München II verurteilte den verstorbenen Angeklagten am 12.5.2011 wegen 16-facher Beihilfe zum Mord an insgesamt mindestens 28060 Menschen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. Über dies sowohl von der Staatsanwaltschaft München I als auch vom Angeklagten eingelegte Revision entschied der Bundesgerichtshof nicht mehr, weil der Angeklagten nach Begründung der Revisionsanträge, aber noch vor Vorlage der Sache an den Senat am 17.3.2012 verstorben ist.

Das Landgericht München II entschied deshalb mit einem auf §§ 206 a, 467 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO gestützten Beschluss vom 5.4.2012:

I. Das Verfahren wird eingestellt.

II. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.

Eine Entscheidung nach dem StrEG ist unterblieben.

Gegen diesen Beschluss legte der Verteidiger des verstorbenen Angeklagten mit Schriftsatz vom 12.4.2012 sofortige Beschwerde ein und beantragte, diesen Beschluss aufzuheben und die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen.  Zur Begründung führte er an, dass der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig sei, es darüber hinaus an einer Entscheidung über eine Entschädigung des Angeklagten für erlittene Polizei- und Untersuchungshaft fehle und die Entscheidung über die Auslagen in Verkennung der Bedeutung der Unschuldsvermutung gegen Art. 6 EMRK verstoße.

Das Landgericht München II leitete die Beschwerde am 13.4.2012 an die Staatsanwaltschaft München I zur Vorlage der Beschwerde.

Mit Beschluss vom 10.7.2012 (1 StR 293/12) entschied der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes:

Der Antrag auf Entscheidung des Senats über die Einstellung des Verfahrens wird zurückgewiesen.

Zur Begründung führte der Senat aus, dass für den verfahrensabschließenden Beschluss nach § 206 a StPO das Gericht zuständig sei, bei dem die Sache anhängig ist. Das Tatgericht, vorliegend also das Landgericht, sei auch dann noch zuständiges Gericht, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Angeklagten zwar das Urteil schon ergangen, die Sache aber noch nicht beim Revisionsgericht anhängig geworden sei. Dies sei erst dann der Fall, wenn sie ihm gemäß § 347 Abs. 2 StPO zur Entscheidung über eine Revision vorgelegt worden ist, Nur darauf, nicht aber auf die Begründung der Revision oder andere hypothetische Überlegungen komme es an. Eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes anstelle des Landgerichts sei nicht gegeben.

Mit Vorlageschreiben vom 11.9.2012, auf das hinsichtlich seiner Einzelheiten Bezug genommen wird, beantragte der Generalstaatsanwalt in München, die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. Busch gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 5.4.2012 als unbegründet kostenfällig zu verwerfen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

De Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ergibt sich aus § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG als Beschwerdegericht für Entscheidungen des Landgerichts.

III.

Die von Rechtsanwalt Dr. Ulrich Busch namens des vormaligen, zwischenzeitlich verstorbenen Angeklagten, dessen Witwe Vera Demjanjuk und dessen Sohn John Demjanjuk jun. eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 5.4.2012 ist mangels Beschwerdebefugnis unzulässig.

1.) Gemäß §§ 304 ff. StPO ist grundsätzlich nur derjenige beschwerdebefugt, der durch eine Entscheidung  oder Maßnahme in eigenen Rechten verletzt ist. Eine solche Betroffenheit ergibt sich für den (ehemaligen) Verteidiger des Angeklagten, dessen Vollmacht (hier Bestellung) zur Einlegung von Rechtsmitteln  mit dem Tod des Angeklagten erloschen ist (Meyer-Goßner StPO, 54 Aufl. § 297Rd-Nr. 6), nicht.

2. Die Beschwerdebefugnis ergibt sich darüber hinaus auch nicht aus der Bevollmächtigung  des Verteidigers durch die Witwe Vera Demjanjuk und den Sohn John Demjanjuk jun.

Der Senat folgt weiterhin in ständiger Rechtsprechung (zuletzt OLG München Beschlüsse vom 26.1.2011, GZ: 4 Ws 123/11 und vom 16.6.2009, GZ: 4 Ws 045/09) der vom Oberlandesgericht München bereits mit Beschluss vom 5.11.2002 (2 Ws 672/02 zitiert nach juris) umfassend begründeten Ansicht, wonach die prozessrechtliche Stellung des Angeklagten im Strafprozess höchstpersönlich ist und deshalb nicht auf andere übertragen, insbesondere  auch nicht vererbt werden kann (OLG München aaO Rd-Nr. 8, ebenso HansOLG, Beschluss vom 8.9.2003 – 2 Ws 217/03, zitiert nach juris; Lüderssen in LR-StPO 25, Aufl. § 138 Rn. 18; ähnlich BayObLG 1962, 226; aA Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 464 Rdn 22 m.w.N.). Dem Verteidiger des vormaligen, zwischenzeitlich verstorbenen Angeklagten fehlt es somit in jedem Fall, das heißt unabhängig davon, ob er die Beschwerde in eigenem Namen, im Namen des Angeklagten oder im Namen von dessen Erben eingelegt hat (OLG  München aaO Rdn. 8 und 9), an der Beschwerdebefugnis.

Das Oberlandesgericht München führte mit Beschluss vom 5.11.2011 in dem  gleichgelagerten Fall zur Begründung näher aus (aaO Rdnr. 5):

„Im vorliegenden Fall, in dem der Einstellungsbeschluss in Folge des Todes des früher Angeklagten ergangen ist, fehlt aber die erforderliche Beschwerdebefugnis. Dabei kann dahinstehen, ob die sofortige Beschwerde namens der Ehefrau und Erbin des verstorbenen Angeklagten eingelegt wurde, (...), oder ob sie weiterhin namens des Verstorbenen  selbst auf der Grundlage einer angenommenen Fortwirkung der zu Lebzeiten  erteilten Prozessvollmacht eingelegt worden ist. Durch die Ablehnung der Auslagenerstattung nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO beschwert und damit beschwerdebefugt könnte allenfalls der Angeklagte selbst sein. Denn die Regelungen nach § 467 Abs. 2, Abs. 3 StPO knüpfen ausdrücklich an die prozessrechtliche Stellung als Angeschuldigter  (bzw. Angeklagter) an. Diese prozessrechtliche Stellung des früheren Angeklagten ist jedoch mit dessen Tod entfallen. In dessen Namen können seither keine Prozesshandlungen mehr vorgenommen werden, insbesondere keine Rechtsmittel eingelegt werden, da der Angeklagte als Prozeßsubjekt und träger der den Prozesshandlungen zugrundeliegenden Rechte nicht mehr existiert. Mit dem Tod des Angeklagten hat auch die von ihm zu Lebzeiten erteilte Prozessvollmacht geendet. Mit dem Tod des Angeklagten hat somit der für ihn bis dahin als Verteidiger handelnde Rechtsanwalt die Befugnis verloren, für seinen früheren Mandanten Prozesshandlungen vorzunehmen.

3.) Ergänzend merkt der Senat an, dass die Entscheidung des Landgerichts Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht verletzt.  Der Europäische Gerichtshof hat in dem vom Beschwerdeführer selbst zitierten Urteil vom 25.8.1987 (10300/83; zitiert nach juris) festgestellt:

„Weder Art. 6 Abs. 2 EMRK noch irgendeine andere Bestimmung der Konvention verleiht der wegen einer Straftat angeklagten Person ein Recht auf Erstattung ihrer Kosten oder Entschädigung für erlittene Untersuchungshaft, wenn das Verfahren gegen sie eingestellt wird. Der Beschluss, die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers nicht zu erstatten und ihm keine Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft zu gewähren, verstößt daher nicht gegen Art. 6 Abs. 2 EMRK, wenn die Entscheidung nicht die Feststellung einer Schuld, sondern lediglich die Feststellung einer fortbestehenden Verdachtslage enthält.“

Der Beschluss des Landgerichts stellt keineswegs die Schuld des Angeklagten fest, sondern macht ausdrücklich deutlich, dass die Ermessensentscheidung nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO „ohne abschließende Schuldzuweisung“ (Seite 2 vorletzter Absatz des Beschlusses) erfolgt.

4.) Schließlich merkt der Senat noch an, dass die vom Landgericht in erster Instanz getroffene Schuldfeststellung die Annahme eines zum Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung fortbestehenden Tatverdachts (vgl. Meyer-Goßner aaO § 467 Rn. 16) und die darauf gestützte Anwendung von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO zulässt, ohne dass dies von Rechts wegen zu beanstanden wäre. Die Berechtigung zur Einstellung des Verfahrens ergab sich für das Landgericht aus § 206 a StPO, denn der nach Eröffnung des Hauptverfahrens eingetretene Tod des Angeklagten stellt ein Verfahrenshindernis im Sinne von § 206 a StPO dar.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 465 Abs. 3 StPO nicht veranlasst (vgl.  OLG München aaO, zitiert nach juris Rdn. 13).

Dr. Dauster                                                               Beckers                                                                                  Dr. Koch
Vorsitzender Richter                                      Richterin am                                                              Richter am
am Oberlandesgericht                                               Oberlandesgericht                                                     Oberlandesgericht


Der Generalstaatsanwalt hatte unter dem 11.9.2012 unter Bezugnahme auf das Schreiben der Staatsanwaltschaft München vom 18.4.2012 die Entscheidung des Oberlandesgerichts beantragt.

In der Zuschrift hatte er ergänzend folgendes bemerkt:

Mit Verfügung vom 27.4.2012 wurde Rechtsanwalt Dr. Busch antragsgemäß über die Generalstaatsanwaltschaft München Akteneinsicht in die Strafakten der Staatsanwaltschaft München I (Bde. XXXI – XXXVII= gewährt (Bl. 14870, Bd. XXXVII).

Die Akten wurden durch Rechtsanwalt Dr. Busch eigenmächtig an den Vorsitzenden des 1. Strafsenat beim BGH mit Schriftsatz vom 22.5.2012 zugeleitet (Bl. 14871/14956, Bd. XXXVII).

Mit Verfügung vom 25.5.2012 leitete der Generalbundesanwalt beim BGH den Antrag des Verteidigers des verstorbenen Angeklagten sowie 7 Bände Akten der Staatsanwaltschaft München I (AZ: 115 Js 124496/08) an den Vorsitzenden des 1. Strafsenats weiter und beantragte, den Antrag des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Busch, vom 22.5.2012 zurückzuweisen (Bl. 15040, Bd. XXXVII).

Mit Beschluss des BGH, 1. Strafsenat, vom 10.7.2012 (AZ: 1 StR 293/12) wurde der Antrag auf Entscheidung des Senats über die Einstellung des Verfahrens zurückgewiesen (Bl. 15166/15168, Bd. XXXVII).

Anschließend wurden die Akten an die Generalstaatsanwaltschaft München zurückgeleitet.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig gemäß § 464 Abs. 3 i.V.m. § 311 Abs. 2 StPO.

In der Sache ist ihr jedoch der Erfolg zu versagen. auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung sowie auf die umfassenden und zutreffenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft München I im Schreiben vom 18.4.2012 (Bl. 14755/14759, Bd. XXXVII) wird insoweit Bezug genommen.

Ergänzend ist anzuführen, dass infolge der Entscheidung des BGH vom 10.7.2012 feststeht, dass entgegen der Ansicht des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Busch, das Oberlandesgericht zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. Busch zuständig ist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 464, 473 StPO.

Ich
b e a n t r a g e

daher, die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalt Dr. Busch gegen den Beschluss des Landgerichts München I, 1. Strafkammer, vom 5.4.2012 als unbegründet kostenpflichtig zu verwerfen.

Grape
Oberstaatsanwältin

An der Entscheidung des Oberlandesgerichts sticht dessen offensichtliche Verfassungswidrigkeit und dessen Sachwillkürlichkeit jedem Rechtskundigen sofort ins Auge. Die sofortige Beschwerde des Verteidigers mit der Begründung für unzulässig zu erklären, dass der Verteidiger keine Rechtsmittel mehr einlegen dürfe, wie sich aus § 297 StPO und die im Beschluss genannte Kommentierung dazu ergebe, ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr als vertretbare Rechtsauffassung zu werten. Die in § 297 genannten Rechtsmittel dienen, wie dem Gesetz unschwer zu entnehmen ist, der Weiterführung eines Verfahrens, während es hier, wie seit der Entscheidung des BGH im 45. Band auch den Richtern des Oberlandesgerichts bestens bekannt, um die Beendigung des Verfahrens und die damit verbundene Beendigungsentscheidungen geht.

Das eine hat mit dem anderen schlechterdings nichts zu tun. Dass der Verteidiger - ob als Wahlverteidiger oder als Pflichtverteidiger - ist gleichgültig, an den zur Beendigung des Verfahrens vom Gesetzgeber vorgesehenen Entscheidungen mitwirken darf und mitwirken muss, ist so offensichtlich und handgreiflich, dass die entgegengesetzte Entscheidung des OLG einen Grad der Sachwillkür erreicht, der das noch Erträgliche unerträglich übersteigt. Gesteigert wird dies nur noch durch die Behauptung des OLG, der Anspruch des verstorbenen Angeklagten auf Erstattung seiner notwendigen Auslagen und der Anspruch auf Entschädigung für erlittene Polizei- und Untersuchungshaft seien so höchst persönlich, dass der Angeklagte sie mit ins Grab nehmen müsse. Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik und der dieser zugrundeliegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sowie aufgrund all der Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik Deutschland übernommen bzw. in  seine Rechtsprechung eingebaut hat, ist die Verletzteneigenschaft der Witwe und des Sohnes des Angeklagten im Sinne des Art. 25 EMRK sowie die Aktivlegitimation dieser Personen nach Art. 1, Art. 2, Art. 6 und Art. 20 GG schlechterdings unstreitig.

Es ist hier nicht bekannt, dass nach der Entscheidung des BGH im 45. Band noch jemals eine Entscheidung eines deutschen Gerichts ergangen ist, die die Auffassung des OLG München in der jetzt angegriffenen Entscheidung teilt oder auch nur als erwähnenswert oder bedenkenswert bezeichnet.

Die Entscheidung des OLG München hat unter diesen Umständen objektiv nur ein Ziel:

Verteidigung und Angehörige des verstorbenen Angeklagten werden nicht mehr zugelassen, ihnen wird der Weg zu den Gerichten versperrt. Dies bedeutet aus der Sicht der Witwe und des Sohnes:

Die Vertuschung des juristischen Skandals dieses Prozess.

In gleicher Weise sticht die verfassungswidrige Vorgehensweise des OLG München ins Auge, die dahin besteht, nicht nur die Verfahrensbeteiligten anzuschließen, sondern generell die nach dem Gesetz vorgeschriebene Entscheidung nach § 6 StrEG zu unterlassen bzw. über die Unterlassung der Entscheidung nach § 6 StrEG auch überhaupt nur ein Wort zu verlieren.

Dabei kann in diesem Zusammenhang dahin gestellt bleiben, ob den Verfahrensbeteiligten ein subjektives Recht auf Einholung der Entscheidung nach § 6 zusteht oder nicht.

Die Entscheidung musste vom Landgericht nach den gesetzlichen Vorschriften zwingend getroffen werden, wie aus den Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft hervorgeht. Das OLG musste daher schon von Amtswegen entweder die Entscheidung nachholen oder aber das LG zur Nachholung der Entscheidung nach § 6 StrEG anweisen.

Ausweislich der gesetzlichen Bestimmungen bestand sowohl für die Richter des Landgerichts als auch für die Richter des Oberlandesgerichts ein klarer, von ihnen nach der Verfassung zu befolgender Gesetzesbefehl auf Entscheidung nach § 6 StrEG.

Die Weigerung, dies zu tun, ist ein offener Bruch des Gesetz.

Aus der Sicht der Beschwerdeführer kann auch dies objektiv nur dazu dienen, die Akten so schnell wie möglich endgültig zuzumachen und den juristischen Skandal um John Demjanjuk zu vertuschen.

Schließlich sticht massiv ins Auge, dass das OLG unter Ziffer 3 seines Beschlusses betont, dass der Europäische Gerichtshof darauf hinweist, dass weder Art. 6 Abs. 2 noch irgendeine andere Bestimmung der Konvention der wegen einer Straftat angeklagten Person ein Recht auf Erstattung ihrer Kosten oder Entschädigung für erlittene Untersuchungshaft verleiht, wenn das Verfahren gegen sie eingestellt wird. Das OLG hätte in diesem Zusammenhang ausdrücklich klarstellen müssen, dass das deutsche Recht insoweit weit über die Mindestrechte des Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte hinaus geht und den grundsätzlich bindenden Gesetzesbefehl enthält, dass bei Einstellung von Strafverfahren die notwendigen Auslagen des wegen einer strafbaren Handlung Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen sind und eine Entschädigung für erlittene Untersuchungshaft zu leisten ist, vgl. § 467 Abs. 1 StPO, § 2 StrEG.

Das OLG hätte auch betonen müssen, dass es hier um Ausnahmen von diesem Gesetzesbefehl im Sinne der §§ 467 Abs. 3 StPO und 6 Abs. 2 StrEG geht, die angesichts des Gesetzesbefehls restriktiv anzuwenden sind, wobei ausweislich Ziffer 38 der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen sind:

- Der Verfahrensstand bei der Einstellung

- Das Verhalten des Angeklagten

- Die Schwere des Tatverdachtes, der noch gegen ihn besteht.

Geradezu eklatant sticht die Verfassungswidrigkeit des Beschlusses deshalb ins Auge, weil das OLG unter Ziffer 4 seines Beschlusses sich ausdrücklich für berechtigt erklärt, das gesamte Revisionsvorbringen des Angeklagten von vorne herein auszuschließen, die in erster Instanz getroffene Schuldfeststellung allein und ausschließlich für die zu treffende Entscheidung zugrunde zu legen und die Schuldfeststellung ohne jede Prüfung ihrer Berechtigung in einem zum Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung fortbestehenden Tatverdacht umzuwandeln, der die Durchbrechung des Gesetzesbefehl des § 467 Abs. 1 StPO sowie des § 2 StrEG ohne Weiteres zulässt.

Das OLG unterschlägt objektiv in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik vom 30.9.1982. Die Entscheidungsgründe lauten wie folgt:

1.) Die im Rechtsstaatsprinzip begründete Unschuldsvermutung schließt es aus, einen nicht rechtskräftig Verurteilten als schuldig zu behandeln. Sie gebietet hingegen nicht, die Erstattung von Auslagen stets anzuordnen, wenn das Verfahren ohne Schuldnachweis endet.

2.) Die Ablehnung der Anträge, die notwendigen Auslagen des verstorbenen Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, begründet sich aus § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, die Entscheidung über das Entschädigungsbegehren aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG. Beide Vorschriften, gegen die verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen, gewähren dem Gericht einen Ermessensspielraum. Anhaltspunkte dafür, dass die Gerichte von diesem Ermessen in verfassungswidriger Weise Gebrauch gemacht hätten, liegen nicht vor.

a.) Zwar haben die angegriffenen Entscheidungen eine Prognose darüber angestellt, zu welchem Ergebnis die Fortführung des Verfahrens mutmaßlich geführt hätte. Eine derartige Einschätzung enthält indessen nicht die Feststellung eine Schuld, sondern lediglich die Feststellung einer fortbestehenden Verdachtslage. Sie verstößt infolgedessen nicht gegen die Unschuldsvermutung.

b.) Die Prognose des Verfahrensausgangs lässt auch Willkür nicht erkennen.

aa.) Weder die ... beanstandeten Mängel des Strafurteils noch der Inhalt der Revisionsrechtfertigung lassen die Annahme schlechthin unvertretbar erscheinen, dass die angegriffenen Entscheidungen bei jeder der selbständigen prozessualen Taten, in denen eine Verurteilung des verstorbenen Angeklagten erfolgt ist, einen späteren Freispruch für unwahrscheinlich gehalten haben. Nur darauf kam es für die Kostenentscheidung an. Der Hinweis der Gerichte auf die Erfolglosigkeit der Revision des Mitangeklagten M. und die Revisionsrücknahme der übrigen Mitangeklagten ist ersichtlich nur als unterstützendes Argument zu begreifen, auf denen die angegriffenen Beschlüsse nicht beruhen.

bb.) Auch die Begründung der Verfassungsbeschwerde vermag nicht aufzuzeigen, dass die Auffassung des LG bei Fortführung des Verfahrens  sei eher eine Verurteilung als ein Freispruch zu erwarten gewesen, nicht mehr verständlich ist.

Es ist somit das Bundesverfassungsgericht selbst, welches in der Entscheidung Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik, in der der Tod des Angeklagten Nölkenbockhoff im gleichen Verfahrensstadium wie der Tod des Angeklagten Demjanjuk eingetreten ist, nämlich nach Erlass des Urteils des LG Essen am 11.7.1980, nach Revisionseinlegung und Revisionsbegründung am 19.10.1981, nachdem die schriftlichen Urteilsgründe am 5.10.1981 zugestellt waren, ausdrücklich der Revisionsbegründung der Anwälte des Angeklagten Nölkenbockhoff Rechtsrelevanz zugebilligt und bei der Beurteilung und Entscheidung der anstehenden Entscheidungen nach § 467 Abs. 1 StPO, 6 StrEG maßgebliche Bedeutung zugemessen hat.

Auf diese Entscheidungsgrundsätze des Bundesverfassungsgerichts geht das OLG mit keinem Wort ein, genauso wie es bei der Verneinung der Aktivlegitimation der Witwe des Angeklagten Demjanjuk verschweigt, dass das Bundesverfassungsgericht es in seiner Entscheidung Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik ausdrücklich gebilligt hat, dass die Witwe des Herrn Nölkenbockhoff sogar die Anträge nach § 467 Abs. 1 und 2 StPO nach dem Tode ihres Mannes gestellt hat.

Die Vorgehensweise des OLG, nämlich gegenüber dem Publikum den Eindruck zu erwecken, Ansprüche des Angeklagten oder seiner Witwe oder seiner Familie seien ja schon aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Sache Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben, ist in jeder Hinsicht objektiv sittenwidrig, wenn man bedenkt, dass das OLG mit den seinem Beschluss konträr entgegengesetzten Auffassungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte schlechterdings verschweigt und sie nicht einmal diskutiert.

Das Maß des Unerträglichen schlägt hier um in ein Maß nicht hinnehmbarer objektiver Sachwillkürlichkeit.

C.

Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Vorgehensweise von LG und OLG im Übrigen sind aus der Sicht der Beschwerdeführer folgende Entscheidungen maßgeblich zu berücksichtigen bzw. zu beachten:

- Entscheidung des Bundesverfassungsgericht – 2 BvR 1609/02 -: Strafprozessuelle Entscheidungen über Kosten, Auslagen oder Entschädigungsansprüche dürfen .... und mit Feststellungen zur Schuld begründet werden, wenn das Verfahren nicht bis zur Schuldspruchreife gediehen war.

- OLG Nürnberg vom 30.3.2010 – 1 Ws 113/10 -: Mit dem Tod des Angeklagten ist nach nunmehr herrschenden Meinung die Beauftragung des Wahlverteidigers und die ihm hierbei erteilte Vollmacht ... nicht erloschen. Die Gegenmeinung, die beim Tod des Angeklagten ein vollständiges Erlöschen der Verteidigervollmacht annimmt ... ist dies im wesentlichen mit dem prozessrechtlichen Besonderheiten des Strafverfahrens begründet, insbesondere dem höchstpersönlichen Charakter des Prozessrechtsverhältnisses, in das der Angeklagte gezwungen werde, folgt der Senat nicht. ... Der BGH hat mit seinem grundlegenden Beschluss vom 8.6.1999 klargestellt,  dass im Falle des Todes des Betroffenen ... das Strafverfahren wegen des eingetretenen Verfahrenshindernisses außerhalb der Hauptverhandlung durch einen Beschluss gem. § 206 a Abs. 1 einzustellen und mit den erforderlichen Nebenentscheidungen zu versehen ist. Erst diese förmliche Einstellung beendet danach mit konstitutiver Wirkung die fortbestehende Anhängigkeit des zuvor förmlich eingeleiteten Verfahrens. Bei den Verfahrenshindernissen der Verjährung oder der wegen Erkrankung dauerhaften Verhandlungsunfähigkeit liegt es auf der Hand, dass die rein formell zu betrachtende Verfahrensstellung des Angeklagten erst mit Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses gem. § 206 a Abs. 1 StPO endet.

Unzweifelhaft ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass ein wirksam begründetes Wahlverteidigermandat bei einem dauerhaft verhandlungsunfähigen Angeklagten nicht schon mit der Feststellung der Verhandlungsunfähigkeit beendet wird, sondern erst mit der konstitutiv rechtskräftigen Verfahrenseinstellung. Nichts anderes hat jedoch dann zu gelten, wenn der Angeklagte wegen Todes dem Verfahren nicht mehr zur Verfügung stehen kann. Solange das Verfahren nicht rechtskräftig eingestellt wird, hat auch der Verstorbene weiterhin formell eine Verfahrensstellung als Beschuldigter / Angeklagter und die von ihm für das Verfahren erteilte  Verteidigervollmacht gilt solange fort.

- Bundesverfassungsgericht vom 28.3.2006 – 2 BvR 2059/05 -: Die Unschuldsvermutung ist eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und hat damit Verfassungsrang. Zwar verwehrt sie es dem Strafverfolgungsorgan nicht, schon vor Abschluss der Hauptverhandlung verfahrensbezogen den Grad des Verdachts einer strafbaren Handlung eines Beschuldigten zu beurteilen. Feststellungen zur Schuld des Angeklagten zu treffen und Schuld auszusprechen, ist den Strafgerichten aber erst erlaubt, wenn die Schuld des Angeklagten in dem mit rechtsstaatlichen Verteidigerungsgarantien ausgestatteten bis zum prozessordnungsgemäßen Abschluss durchgeführten Strafverfahren nachgewiesen ist. Wird ein Strafverfahren eingestellt, bevor die Hauptverhandlung bis zur Schuldspruchreife durchgeführt worden ist, so fehlt es an einer prozessordnungsgemäßen Grundlage für das Schulderkenntnis.
Lässt es die Unschuldsvermutung grundsätzlich zu, in einer Entscheidung nach § 467 Abs. 4 StPO einen verbleibenden Tatverdacht festzustellen und zu bewerten, dann muss aber aus der Begründung deutlich hervorgehen, dass es sich nicht um eine gerichtliche Schuldfeststellung handelt, sondern nur um die Beschreibung und Bewertung einer Verdachtslage. Dieser Unterschied muss auch in der Formulierung der Gründe hinreichend Ausdruck finden. Unabhängig davon ist angesichts des verfassungsrechtlichen Rangs der Unschuldsvermutung darauf Bedacht zu nehmen, nur solche Formulierungen zu verwenden, die von vorne herein jeden Anschein einer unzulässigen Schuldzuweisung vermeiden.
Für die Feststellung des verbliebenen Tatverdachts gelten dieselben Grundsätze wie die in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommene Schuldfeststellung. In beiden Fällen dürfen keine Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen. Daneben dürfen die Feststellungen  nicht mit Mängeln in der Rechtsanwendung oder im eingeschlagenen Verfahren behaftet sein, die die Annahme der tatbestandlichen Voraussetzungen unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen lassen, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen.
... hätte das Landgericht lediglich eine Verdachtsschwere bezeichnen wollen, hätte es dieser Formulierungen nicht bedurft, vielmehr wäre eine nähere Darlegung des bisherigen Beweisergebnisses erforderlich gewesen. ... Zu einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ist es nicht gekommen. Es liegt auch keine bis zur Schuldspruchreife durchgeführte Hauptverhandlung vor. Vielmehr war dem Landgericht eine Feststellung strafrechtlicher Schuld nach der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache auch unter diesem Gesichtspunkt nicht gestattet. ... eine Aussage zur Schwere des Tatverdachts, geschweige denn zur Richtigkeit des angegriffenen Schuldspruchs konnte das OLG mithin gar nicht treffen.

- OLG Hamm – 3 Ws 496/96 vom 2.10.1996: Ein fakultativer Ausschluss der Entschädigung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG kommt nämlich, ebenso wie die Versagung der Auslagenerstattung gemäß § 467 Abs. 3  Satz 2 Nr. 2 StPO, ausschließlich dann in Betracht, wenn im Falle der Einstellung bzw. Nichteröffnung des Hauptverfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses allein dieses Verfahrenshindernis die Verurteilung hindert, mithin auf dem Wege bis zur Feststellung des Verfahrenshindernisses bereits die strafrechtliche Schuld bis zur Schuldspruchreife gerichtlich geklärt worden ist (OLG Hamm, NJW 1986, Seite 734 ff.; OLG Zweibrücken NStE Nr. 1 zu § 467 StPO; OLG Köln, NStE Nr. 7 zu § 467 StPO: erforderlich sei regelmäßig ein unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in unbedenklicher Weise zustande gekommenes Geständnis; KG, NJW 1994, 600; LG Berlin, NJW 1993, 2545; Meyer Strafrechtsentschädigung und Auslagenerstattung 3. Aufl., § 6 StrEG, Rd-Nr. 30a; Schimanski NKK-StPO, 3. Aufl. § 467 Rd-Nr. 10a).
Diese Voraussetzung ist aber nur dann gegeben, wenn die Schuld des Angeschuldigten bereits gerichtlich festgestellt ist, zumindest aber ein prozessual ordnungsgemäß zustande gekommenes glaubhaften Geständnis vorliegt, da anderenfalls auch die mangelnde Schuldfeststellung einer Verurteilung entgegenstehen könnte. ...

Mit der Reform des § 467 StPO durch Art. 2 Nr. 25 des Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten hat der Gesetzgeber wegen der in dem Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Unschuldsvermutung das Gesetz dahingehend geändert, dass nicht mehr nur bei erwiesener Unschuld, sondern auch bei einem Freispruch mangels Beweisen (Freispruch 2. Klasse) trotz weiterbestehenden Tatverdachts nunmehr grundsätzlich die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten nach § 467 Abs. 1 StPO zu tragen hat. Das sollte auch für die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder die Einstellung des Hauptverfahrens oder die Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses gelten (§ 467 Abs. 1 StPO), während bei der Einstellung des Verfahrens nach einer Vorschrift, die dies nach dem Ermessen des Gerichts zulässt, dieses nach seinem Ermessen davon absehen kann, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.

- OLG Celle, Beschluss vom 28.5.2002, AZ: 1 Ws 132/02: Für die Entscheidung kommt es mithin darauf an, ob der Angeklagte nach der bisherigen Beweislage voraussichtlich verurteilt worden wäre oder nicht. Als Ausnahmevorschrift und im Hinblick auf die verfassungsrechtlich verankerte Unschuldsvermutung ist die Regelung grundsätzlich restrektiv auszulegen. Die Unschuldsvermutung schließt jedoch eine Kostenüberbürdung jedenfalls dann nicht aus, wenn die Schuld des Angeklagten in einer bis zur Schuldspruchreife durchgeführten Hauptverhandlung festgestellt worden ist. ...
Ein Ermessensspielraum für die Auslagenentscheidung ist dem Gericht nach § 467 Abs. 3 Nr. 2 ohnehin lediglich insoweit eröffnet, als dass ohne das Verfahrenshindernis eine Verurteilung zu erwarten gewesen wäre.

- Europäischer Gerichtshof, Beschwerdenummer: 10300/83 vom 25.8.1987: Der Grundsatz der Unschuldsvermutung soll jede „wegen einer Straftat angeklagte Person“ vor einem Schuldspruch schützen, bevor deren Schuld in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise nachgewiesen wurde. Daraus folgt jedoch nicht, dass eine Entscheidung, die die Unschuld eines wegen einer Straftat angeklagten Mannes nach dessen Tod in Frage stellt, nicht nach Art. 25 von seiner Witwe gerügt werden kann. Sie kann sowohl ein legitimes materielles Interesse in ihrer Eigenschaft als Erbin des Verstorbenen haben als auch ein moralisches Interesse für ihre eigenen Belange und die ihrer Familie, ihren verstorbenen Ehemann von jedem Schuldvorwurf freigestellt zu sehen. Wie vom Delegierten der Konvention ausgeführt wurde, trifft dies im vorliegenden Falle zu. Unter diesen Umständen kann die Beschwerdeführerin daher behaupten, „Opfer“ im Sinne von Art. 25 zu sein. Der Gerichtshof möchte außerdem darauf hinweisen, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht, dessen Verfassungsbeschwerdeverfahren dem Verfahren nach der Konvention vergleichbar ist, die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin nicht mangels Aktivlegitimation abgewiesen hat.

D.

I. Der Ausschluss der Witwe und des Sohnes von der Aktivlegitimation gem. § 206 a Abs. 2 StPO ist unter Berücksichtigung der Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte schon für sich genommen ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2, 1 und Art. 20 GG, Art. 25 EMRK sowie Art. 1, 19 GG.

II. Die Ausführungen des OLG machen darüber hinaus deutlich, dass das OLG die im Rechtsstaatsprinzip zum Verfassungsprinzip erhobene Unschuldsvermutung weder in ihrer Bedeutung noch in ihrem Umfang noch in ihren Rechtswirkungen verstehen will. Die Sperrung der Anhörigen und des Verteidigers von der Aktivlegitimation ist ein objektiv ungeheuerlicher Vorgang des Verstoßes gegen das Verbot sachwillkürlicher Entscheidungen. Die vom OLG für seine Auffassung angeführten Argumente sind allesamt Scheinargumente. Die Regelung des § 297 StPO hat mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht das Geringste zu tun.

Es ist eine Binsenwahrheit, dass mit dem Tod des Angeklagten die Verteidigervollmacht zur Einlegung von Rechtsmitteln erlischt. Es ist jedoch offensichtlich, dass diese Vollmacht zur Einlegung von Rechtsmitteln nur solche Rechtsmittel betrifft, die der Weiterführung des Verfahrens trotz Todes des Angeklagten dienen. Hier geht es um Beendigungstatbestände, nicht aber um Weiterführungstatbestände des gegen den Angeklagten gerichteten Strafverfahrens. Muss, wie jetzt Gesetzeslage, das Verfahren durch förmliche Beschlüsse mit entsprechenden Unschuldsvermutung tangierenden oder betreffenden Nebenentscheidungen zu Ende geführt werden, muss die Verteidigerstellung und die Befugnis des Verteidigers zur Mitwirkung an allen noch zu treffenden Entscheidungen und zur Einlegung von Rechtsmitteln erhalten bleiben. Wäre das richtig, was das OLG behauptet, würde die Verteidigerstellung bei Tod des Angeklagten zwingend insgesamt entfallen müssen, ein Einstellungsbeschluss nach § 206 a StPO  dürfte nicht einmal dem Verteidiger zugestellt werden. Dasselbe müsste aber auch für den Staatsanwalt gelten, dasselbe müsste auch für das Gericht gelten. Alle anderen Verfahrensbeteiligten könnten ebenfalls nicht mehr an zu treffenden Beendigungsentscheidungen mitwirken. Solche dürfte es gar nicht geben.

Alle diese Konsequenzen zeigen die Unvertretbarkeit der Behauptungen des OLG in diesem Zusammenhang auf, die überhaupt nicht mehr nachvollziehbar und auch nicht mehr begründbar sind.
Das OLG glaubt in diesem Zusammenhang offensichtlich, sowohl die Menschenwürde des Angeklagten als auch die Unschuldsvermutung zu seinen Gunsten endeten mit dem Tod des Angeklagten, er würde sie quasi mit ins Grab nehmen. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip zu entwickelnde Unschuldsvermutung gilt jedoch genauso wie die Menschenwürde des Angeklagten entgegen der Auffassung des OLG über dessen Tod hinaus. Die Unschuldsvermutung endet immer erst mit der Rechtskraft einer Verurteilung, niemals vorher. Die Unschuldsvermutung ist ein Mindestrecht im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention, die einem Angeklagten bis zum rechtskräftigen Schuldspruch  nicht nehmbar ist. Das Strafverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass der Staat bis zu einem rechtskräftigen Urteil das volle Risiko der Widerlegung der Unschuldsvermutung zu tragen hat, und zwar ungeteilt und vollständig und ohne Abschläge. Die Unschuldsvermutung gilt auch und insbesondere bei einem Tatverdacht. Trotz Tatverdachts und trotz bestehen bleibenden Tatverdachts trägt auch dann der Staat das volle Risiko der Widerlegung der Unschuldsvermutung bis zum rechtskräftigen Schuldspruch. Der Angeklagte darf an dem Nachweis seiner Unschuld mitwirken, er muss jedoch nicht seine Unschuld nachweisen. Er trägt im Gegensatz zum Staat nicht das Risiko der Nichterweislichkeit seiner Unschuld.
Dies zwingt dazu, dass die Subjektstellung des Angeklagten als das Recht seines Verteidigers, als Sachwalter der Unschuldsvermutung des Angeklagten aufzutreten, gerade und insbesondere erhalten bleiben muss, wenn das Verfahren wie hier durch den Tod des Angeklagten platzt und es ausgeschlossen ist, dass der Angeklagte schuldig gesprochen werden kann. Der Verteidiger und mit ihm die Angehörigen des Angeklagten haben in solchen Verfahrensstadien die ihnen vom Gesetz geradezu zugewiesene und aus dem Rechtsstaatsprinzip zwingend heraus zu filternde Pflicht, für die Einhaltung der Unschuldsvermutung bei den verfahrensbeendenden Maßnahmen Sorge zu tragen und die Unschuldsvermutung, nämlich dass das Verfahren gegen einen nach wie vor schuldlosen Angeklagten ohne Schuldspruch zu Ende gegangen ist, durchzusetzen. Die Sperrung der Verteidigung und der Angehörigen durch das OLG beruht auf dieser völligen Verkennung des Rechtsstaatsprinzips in Verbindung mit der Unschuldsvermutung und Menschenwürde eines Angeklagten.

III. Dass die Entscheidung des OLG offensichtlich sachwillkürlich im Sinne des Art. 3 GG ist, ergibt sich auch aus Folgendem:

Geht man davon aus, dass der Tod eines Angeklagten ein Verfahrenshindernis ist,  welches zur Einstellung des Verfahrens nach § 206 a StPO führen muss, ist die gesamte Vorschrift in Bezug zu nehmen.


§ 206 a StPO hat aber nicht nur einen Absatz 1, sondern auch einen Absatz 2. Die Entscheidung des Gerichts ist danach ausdrücklich mit der sofortigen Beschwerde angreifbar.
Wenn Verteidiger und Angehörige die Entscheidungen des Gerichts, die im Rahmen der Beendigung bei Auftreten eines Verfahrenshindernisses anliegen, nicht mit der sofortigen Beschwerde angreifen dürfen, gibt es weder hinsichtlich der Entscheidung nach § 206 a noch hinsichtlich der Entscheidung nach § 467 StPO als auch § 6 StrEG einen Beschwerdeberechtigten. Danach kann das einstellende Gericht unkontrolliert und unkontrollierbar machen, was es will. Seine Entscheidung, ob sachwillkürlich, ob verfassungswidrig, ob konventionswidrig oder nicht, ob die Unschuldsvermutung verletzend oder nicht, ob unter schwersten Ermessensmissbrauch zu Lasten der Unschuldsvermutung zustande gekommen oder nicht, ist rechtskräftig.
Damit wird vom OLG die Entscheidung des LG den Kontrollmechanismen, die der Gesetzgeber in der StPO vorgesehen hat, entzogen und ihm freigestellt, jedwede Entscheidung, ob gesetzeswidrig oder nicht, zu erlassen, bis hin zu einer denkbaren Rechtsbeugung. Wo kein Kläger, keine Anklage.
Wenn und solange man den Tod eines Angeklagten als nach § 206 a StPO zu behandeln einstuft, muss der Verteidigung das Recht zustehen, das Rechtsmittel des § 206 a Abs. 2 StPO  zu benutzen und zu ergreifen.
Um so unverständlicher ist angesichts der Existenz des § 206 a Abs. 2 StPO die vom OLG vorgetragene Rechtsauffassung.
Im Übrigen ist die Rechtsauffassung des OLG mit der im Vorkapitel genannten Entscheidungen völlig unvereinbar, das OLG musste bei Zugrundelegung seiner objektiv abstrusen und abwegigen Auffassung mit einer anderweitigen Beurteilung durch die  erdrückend herrschende Meinung rechnen.
Dass das OLG gleichwohl seine objektiv abstruse und abwegige Auffassung zugrunde gelegt hat – übrigens der einzige Weg, um die skandalöse Prozessführung gegen John Demjanjuk zu vertuschen und den Verteidiger und die Angehörigen zum Schweigen zu bringen – musste es wenigstens von Verfassungswegen und wegen des Rechtsstaatsprinzips erörtern, warum er der erdrückend herrschenden Meinung in diesem Punkt nicht gefolgt ist.
Gerade diese Rechtfertigung hat das OLG unterlassen, ein selbständiger Verstoß gegen das Verbot sachwillkürlicher Entscheidungen im Sinne des Art. 3 GG.

E.

Unter Beachtung vorstehender aufgeführter Rechtsgrundsätze ergeben sich ohne Weiteres folgende Verfassungsverstöße:

I. Es ist unzweifelhaft, dass das LG München in seinem Beschluss vom 5.4.2012 dem Angeklagten gegenüber die Schuldfeststellung aus dem Urteil des LG München II vom 12.5.2011 nicht nur wiederholt, sondern diese noch vertieft.

Das Landgericht bestätigt ausdrücklich die Richtigkeit der Schuldfeststellung des Urteils, und zwar mit folgenden Argumenten:

Umfangreiche Beweisaufnahme
Ausführliche Beweiswürdigung zu den Tatsachenfeststellungen
Erörterung sämtlicher maßgeblicher Rechtserwägungen

Mit diesen Ausführungen gibt das Landgericht sich selbst einen „Persilschein“ für die Fehlerlosigkeit des von ihm selbst durchgeführten Verfahrens einschließlich der Richtigkeit der Schuldfeststellung.

Sodann erörtert das Landgericht, aus welchen Gründen es nicht zur Rechtskraft der Schuldfeststellung gekommen ist. Hierzu bedient sich das Landgericht einer „Beschimpfung“ des Verteidigers, die im Rahmen einer Einstellungsentscheidung nach § 467 StPO auch nicht entfernt zur Sache gehört oder mit der Sache zu tun hat. Die Beschimpfung der Verteidigungsstrategie und die Vorwürfe der Verschleppung, Verzögerung und Destruktion der Verteidigungsstrategie hat mit einer verfahrensbeendenden Entscheidung und den dabei anzustellenden Erwägungen einschließlich aller Ermessenserwägungen nichts zu tun. Es ist eindeutig, dass der Satz des Landgerichts, dass die Hauptverhandlung binnen  weniger Monate zu einem Abschluss gebracht hätte werden können, nicht anders zu verstehen ist als so:

Die Verurteilung des Angeklagten hätte binnen weniger Monate erreicht werden können.

Wenn man das vom LG betretene juristische Neuland, den Dammbruch und die neue Rechtstheorie bedenkt, auf dessen Grundlagen dieser Prozess geführt wurde, hätte das Landgericht auch wie folgt begründen können:

Die Verurteilung des Angeklagten hätte am 1. Verhandlungstag erreicht werden können.

Im vorletzten Absatz des Beschlusses verwendet das Landgericht die Worte:

ohne abschließende Schuldzuweisung.

Die Behauptung des OLG, das LG habe damit offen gelassen, ob den Angeklagten überhaupt eine Schuld treffe, stellt Wortlaut, Sinn und Gesamtzusammenhang des Beschlusses des Landgerichts geradezu auf den Kopf. Die Formulierung „ohne abschließende Schuldzuweisung“ heißt im vorliegenden Fall nichts anderes als:

ohne rechtskräftige Schuldzuweisung.

Dass das Landgericht in seinem Beschluss nichts anderes als die Schuldzuweisung und ihre Richtigkeit verteidigt, liegt offen auf der Hand. Die Entscheidung des Landgerichts verstößt somit diametral gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK in Verbindung mit Art. 1 und Art. 2 sowie Art. 20 GG.

Der Beschluss des OLG, der behauptet, das LG München habe keine endgültige Schuldzuweisung im Beschluss vorgenommen, teilt in diesem Zusammenhang das Schicksal der Verfassungswidrigkeit des Beschlusses des LG, ist darüber hinaus aber auch wegen Verstoßes gegen das Verbot der Sachwillkür nach Art. 3 GG null und nichtig.

II. Sowohl das LG als auch das OLG gehen mit keinem einzigen Wort auf die Tatsache ein, dass der Angeklagte gegen die Schuldfeststellung und das Urteil des LG München vom 12.5.2011 Revision eingelegt hat und diese innerhalb der Revisionsbegründungsfrist gesetzlich ordnungsgemäß begründet hat. Der weitere Weg des Falles, der spätestens im Dezember 2011 beim Bundesgerichtshof hätte vorliegen müssen, wird ebenfalls sowohl vom LG als auch vom OLG verschwiegen. Das gesamte Revisionsvorbringen des Angeklagte sowie der gesamte weitere Verfahrensgang, der gepflastert ist von Versäumnissen und Verschleppungen des Falles durch die Münchner Justiz, wird sowohl im Beschluss des LG München als auch im Beschluss des OLG München verschwiegen.

Die Einzelheiten der Verschleppung und Verzögerung sind im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvR 1933/12 dargestellt.

LG und OLG haben absichtsvoll das Revisionsvorbringen und die Verzögerungen und Verschleppungen weder zur Kenntnis genommen noch in irgendeiner Weise berücksichtigt.

§ 467 Abs. 3 sowie § 6 StrEG setzt für die gesetzliche Legitimation zu Ermessungsentscheidungen des LG und des OLG zu Lasten des Angeklagten trotz Geltung der Unschuldsvermutung voraus, dass weder sonstige Verfahrenshindernisse, Befassungs- und Bestrafungsverbote bestehen, dass die Prozessführung ordnungsgemäß war und die Rechtsanwendung nicht zu beanstanden ist.

Das Revisionsvorbringen des Angeklagten bestand und besteht in dem Geltendmachen anderweitiger Verfahrenshindernisse, Bestrafungs- und Befassungsverbote, besteht im Bestreiten der Schuldfeststellung, besteht in der Rüge der Fehlerhaftigkeit der Rechtsanwendung in Bezug auf prozessuale und materielle Normen.

Das Revisionsvorbringen ist dem Bundesverfassungsgericht in der vorgenannten Verfassungsbeschwerdesache mittels CD übermittelt worden. Es liegt dort vor.

Es wird beantragt:

Die CD bzw. das dort einsehbare Revisionsvorbringen des Angeklagten wird beigezogen und verwertet.

Ergeben sich, wie in der Revisionsbegründung nachgewiesen, zwingende Verfahrenshindernisse, ist das Verfahren in jeder Lage, in der es sich befindet, einzustellen. Das Verfahren gegen den Angeklagten Demjanjuk musste hier schon deshalb eingestellt werden, weil dem Verfahren von vorne herein die Zwangsdeportation des Angeklagten entgegenstand, die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der Sonderverfolgung des Angeklagten im Wege der lex Demjanjuk, weil gegen den  Verfassungsgrundsatz nulla poena sine lege und gegen den Verfassungsgrundsatz ne bis in idem verstoßen wurde, weil weder eine deutsche Gerichtsbarkeit noch die Anwendung deutscher Strafgesetze denkbar oder möglich war, weil dem Landgericht auf dem Wege zu seiner Schuldfeststellung die gravierendsten sachwillkürlichen, nicht mehr nachvollziehbaren und unvertretbaren Rechtsanwendungsfehler unterlaufen sind, z.B. der Ausschluss des § 47 Militärstrafgesetzbuch und der sich daraus ergebenen Konsequenzen, der Ausschluss des § 51 StGB mit den daraus sich ergebenden Konsequenzen der Ausschluss des Status des Angeklagten als Kriegsgefangener, der bei jeder Nichtausführung eines jeden Befehles unter Todesdrohung nach dem Militärstrafgesetzbuch stand. Auf die gesamte Revision und das gesamte Revisionsvorbringen einschließlich aller Ergänzungen wird ausdrücklich verwiesen. Das Revisionsvorbringen schloss, wenn es zur Kenntnis genommen worden wäre und beachtet worden wäre, jede Ermessensentscheidung nach § 467 Abs. 3 StPO, § 6 StrEG von vorne herein aus.

Die Beiseiteschiebung des Revisionsvorbringens durch LG und OLG und die absichtsvolle Nichtbefassung mit demselben enthält einen Schwerstverstoß gegen das Verbot der sachwillkürlichen Entscheidung im Sinne des Art. 3 GG sowie einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG.

Soweit gleichzeitig ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG in Rede steht, wird hierauf gesondert eingegangen.

III. Der Beschluss des OLG versperrt dem verstorbenen Angeklagten sowie seinen Angehörigen jeden Zugang zu den Gerichten trotz der Zugangsgarantie des Art. 19 GG und trotz der Unschuldsvermutung für den Angeklagten im Rahmen der Art. 6 Abs. 2 EMRK in Verbindung mit Art. 2 und Art. 1 GG.

Die Argumentation ist in jeder Hinsicht unvertretbar und wird von sonst Niemandem geteilt. Jedenfalls mussten die Richter des OLG, als sie ihre objektiv abstruse und abwegige Auffassung der Entscheidung zugrunde legten, zumindest auf die abweichenden Meinungen und abweichenden Rechtsauffassungen eingehen. Dabei wird hier die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik Deutschland in Verbindung mit den wiederholten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen dieses sich auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 25.8.1987 beruft, Gesetzeskraft im Sinne des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes hat.

Danach ist die Opferolle der Beschwerdeführer Vera Demjanjuk und John Demjanjuk unzweifelhaft, ihre Aktivlegitimation ebenfalls unzweifelhaft.

IV. Das OLG hält es in seinem Beschluss für von Rechtswegen nicht zu beanstanden, dass das LG aus der nicht rechtskräftigen Schuldfeststellung des Urteils des LG – ein und dieselbe Kammer – angeblich einen gegen den Angeklagten bestehenden Tatverdacht herleitet und auf dieser Grundlage die Ansprüche des Angeklagten auf Erstattung seiner notwendigen Auslagen – über § 6 StrEG verhält sich das OLG nicht – verweigert.

Auch diese Rechtsauffassung verstößt massiv gegen das Verbot sachwillkürlicher Entscheidungen, ferner gegen das Rechtsstaatsprinzip, gegen die Unschuldsvermutung in ihrer durch das Rechtsstaatsprinzip und die Menschenwürde zu entwickelnden Ausprägung sowie gegen das aus der Menschenwürde abzuleitende Gerechtigkeitsprinzip mit Verfassungsrang.

1.) Wie bereits ausgeführt, haben weder das LG noch das OLG das Revisionsvorbringen des Angeklagten in Erwägung gezogen noch überhaupt zur Kenntnis genommen. Beide Gerichte haben das Revisionsvorbringen des Angeklagten schlichtweg ausgeschlossen.

Das OLG geht davon aus, dass zur Entscheidung das Tatgericht zuständig sei, das trotz Vorlage der Revisionsbegründung das Verfahren noch nicht beim Revisionsgericht anhängig sei. Wäre das Verfahren beim Revisionsgericht anhängig gewesen, als der Tod des Angeklagten eintrat, wäre es dem Revisionsgericht zugefallen, die entsprechenden Entscheidungen zu treffen. Dabei wäre das Revisionsvorbringen des Angeklagten zwingend zu berücksichtigen gewesen. Hätten sich Verfahrenshindernisse, Verfahrensfehler oder Verletzungen des materiellen Rechts aufgrund des Revisionsvorbringens herausgestellt, wäre das Revisionsgericht verpflichtet gewesen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der  Staatskasse aufzuerlegen und seinen Nachlass für die erlittene Polizei- und Untersuchungshaft zu entschädigen.

Es ist mit dem Rechtsstaatsprinzip und der Unschuldsvermutung unvereinbar, dass, wie das OLG behauptet, jeweils ein völlig anderer Prüfungsmaßstab gelten soll, je nachdem, ob der Zufall oder die Verschleppung durch die zuständige Generalstaatsanwaltschaft oder die Beschleunigung durch die entsprechende Generalstaatsanwaltschaft die Sache beim Revisionsgericht anhängig gemacht hat oder nicht. Es kann nicht sein, dass das gesamte Revisionsvorbringen deshalb vom LG und OLG ignoriert werden kann, weil der Tatrichter, die Staatsanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft das Zustandekommen des Revisionsverfahrens über Monate verzögert haben und dafür Sorge getragen haben, dass die Akten auch 10 Monate nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils dem Revisionsgericht noch nicht vorlagen. Es muss jedem Angeklagten wegen der Unschuldsvermutung und seine überragenden Bedeutung und angesichts des ungeteilten Risikos der Staatsanwaltschaft, die Unschuldsvermutung nicht widerlegen zu können, gestattet sein, in jeder Lage des Verfahrens, insbesondere bei dessen Beendigung alle Tatbestände, die die Unschuld des Angeklagten beweisen sowie alle Tatbestände, die gegen eine Schuldfeststellung sprechen oder diese erschüttern, vorzutragen. Das Rechtsstaatsprinzip erzwingt somit, dass der Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts einerseits, des Tatrichters andererseits, identisch sind.

Alles, was der Angeklagte bzw. sein Verteidiger bis zu seinem Tode für seine Unschuld vorgetragen hat, ist zu berücksichtigen, insbesondere ist eine Revision und deren Begründung in vollem Umfange auch vom Tatrichter zu berücksichtigen.

Dies wird vom LG und OLG verweigert, Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, die Unschuldsvermutung und Verstoß gegen Art. 103, Art. 3 GG.

Der Angeklagte kann entgegen der Auffassung von LG und OLG nicht deshalb schlechter stehen, weil er vor Durchführung des Revisionsverfahrens gestorben ist. Der vom Landgericht und OLG vorgenommene komplette Ausschluss der Revisionsbegründung hat unter Berücksichtigung der Unschuldsvermutung ausschließlich

Bestrafungscharakter, der mit dem Rechtsstaatsprinzip und der Menschenwürde des Angeklagten unvereinbar ist.

2.) Eine Schuldfeststellung des erstinstanzlichen Richters reicht unter Beachtung der überragenden Bedeutung der Unschuldsvermutung nicht aus, die Ansprüche des Angeklagten auf Auslagenerstattung sowie Entschädigungszahlungen nach dem StrEG ermessensfehlerfrei auszuschließen.

Von einem solchen Fall kann und darf nur dann ausgegangen  werden, wenn die Schuldfeststellung auf einem glaubhaften und überprüften Geständnis des Angeklagten in erster Instanz beruht. Hat jedoch der Angeklagte kein Geständnis abgelegt, vielmehr die ihm in der Anklage vorgeworfenen Beschuldigungen bestritten, reicht die Schuldfeststellung eines mit zulässigen Rechtsmitteln angegriffenen Urteils nicht aus. Die Unschuldsvermutung zwingt dazu, einerseits davon auszugehen, dass der Angeklagte bei Nichteintritt seines Todes in  zweiter Instanz freigesprochen worden wäre oder aber seine Unschuld bewiesen hätte. Die Unschuldsvermutung garantiert darüber hinaus dem Angeklagten den vollen gesetzlich vorgesehenen Instanzenzug. Jedes Verfahren und jeder Tatrichter müssen bei Zulassung einer Anklage und Eröffnung des Hauptverfahrens die sichere Erwartung haben können, der Angeklagte werde seine Rechte im Rechtsstaat, wie sie in den einschlägigen Verfahrensordnungen geregelt ist, in vollem Umfange einhalten können. Die Ermittlungsbehörden, insbesondere aber der Tatrichter müssen davon überzeugt sein, dass dem Angeklagten alle verfahrensrechtlichen Garantien und Rechte bis zum rechtskräftigen Urteil zustehen und von ihm in Gebrauch genommen werden können.

Ist dies, wie im vorliegenden Fall objektiv ausgeschlossen und zwar wegen der  allgemein bekannten und gerichtskundigen Erkrankung des Angeklagten an einem tödlich verlaufenden Krebsgeschehen im Bereich seiner Blutbildung, kann eine erstinstanzliche Schuldfeststellung wegen der von vorne herein bestehenden rechtsstaatlichen Defizite des Beginns, der Eröffnung und Durchführung des Verfahrens von vorne herein keine Bedeutung erlangen.

3.) Die Auffassung des OLG führt im Rahmen der § 467, § 6 StrEG zu einem automatischen Ausschluss der Rechte des Angeklagten nach diesen Vorschriften.

Jedwede Schuldfeststellung in einem Urteil verführt zu der Behauptung, es bestünde ein entsprechender Tatverdacht. Dies gilt um so eher in den Fällen wie hier, wo der Tatrichter, der eben das Urteil gefällt hat, und der Einstellungsrichter, der jetzt über die Beendigung des Verfahrens entscheiden soll, identisch sind. Ein Richter, der eben erst in aller Öffentlichkeit und im Namen des Volkes seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten verkündet hat, ist weder individuell noch von seinem Selbstverständnis her noch von Gesetzeswegen in der Lage, im Nachhinein zu behaupten, die Schuldfeststellung, die er wenige Wochen oder Monate zuvor getroffen habe, sei nicht berechtigt gewesen. Es bestünde auch kein Tatverdacht.

Ein Richter, der sich so verhält, macht sich nicht nur vor sich selbst, sondern insgesamt objektiv lächerlich. Er wird angesichts seiner angeblich fortbestehenden Zuständigkeit gezwungen, sein Urteil und seine Schuldfeststellungen auf die von ihm gemachten Rechtsfehler, Anwendungsfehler und sogar auf eventuell von ihm durchgeführte Rechtsbeugung hin zu überprüfen und diese eventuelle Rechtsbeugung sogar gegen sich selbst aufzudecken.

Das dies unmöglich ist und jeden Richter generell überfordert, ist so offensichtlich, dass nicht mehr verständlich ist, aus welchem Grunde der BGH in seiner Entscheidung vom 10.7.2012 – 1 StR 293/12 – den Tatrichter als für die Einstellungsentscheidung zuständig angesehen hat, obwohl die Instanz mit der Urteilsfällung von Gesetzeswegen beendet war und der Tatrichter mit der Sache und seiner weiteren Behandlung nichts mehr zu tun haben konnte.

Es ist objektiv sachwillkürlich und nach dem Gesetz schlechterdings unvereinbar, dass in dieser Konstellation dem Tatrichter abverlangt wird, seine eigene Schuldzuweisung zu überprüfen. Eine solche Prüfung im Rechtssinne kann vom Tatrichter, der damit ausschließlich in eigener Sache entscheidet, von Gesetzeswegen nicht verlangt werden.

Allein zuständiges Gericht ist nach Beendigung der Instanz das im Gesetz vorgesehene nächst höhere Gericht, hier der BGH.

4.) Die vom OLG gewählte Konstruktion des automatischen Übergangs der nicht rechtskräftigen Schuldfeststellung in eine Tatverdachtsvermutung, die die Ansprüche des verstorbenen Angeklagten § 467 StPO entfallen lässt, ist schon deshalb verfassungswidrig, weil die Unschuldsvermutung auch bei einem bestehenden Tatverdacht in vollem Umfange gilt und Geltung zu beanspruchen hat. Ein bestehender oder fortbestehender Tatverdacht ist nicht geeignet, die Unschuldsvermutung zu suspendieren oder abzulösen. Die Regelungen des § 467 StPO, § 6 StrEG knüpfen aber an die Geltung der Unschuldsvermutung an, regeln jedoch nicht die Folgen oder gesetzliche Konsequenzen aus einem bestehenden Tatverdacht. Der Gesetzgeber wusste bei der Schaffung der Regelungen, dass auch Freisprüche zweiter Klasse möglich sind und ein Tatverdacht trotz Freispruch fortbesteht, ja sogar ein dringender Tatverdacht fortbestehen kann, gleichwohl ein Freispruch mangels Nichterweislichkeit der Schuld des Angeklagten erfolgt. Die Formel, wie sie auch Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft in diesem Verfahren aufgestellt haben, nämlich:

Nicht rechtskräftige Schuldfeststellung = Tatverdacht = Ausschluss der Rechte aus § 467 StPO, § 6 StrEG ist verfassungswidrig.

Die Formel schließt von vorne herein wegen ihres Automatismus die vom Gesetzgeber geforderten Ermessenserwägungen  aus im Sinne eines generellen Automatismus des Ausschlusses.

Jedenfalls ist vor Übernahme der erstinstanzlichen Schuldzuweisung im Urteil der Vortrag der Verteidigung in seinen Stellungnahmen, insbesondere im Rahmen einer Revisionsbegründung, in vollem Umfange zu beachten und zu überprüfen, bevor Ermessenserwägungen im Sinne des § 467 Abs. 3 StPO angestellt werden und diese gegebenenfalls zu einem Ausschluss der im Gesetz vorgesehenen Ansprüche des Angeklagten führen.

F.

Dass im vorliegenden Fall vom LG und vom OLG das Revisionsvorbringen der Verteidigung bewusst und absichtsvoll ausgeschlossen wurde, wird durch die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 18.4.2012 ausdrücklich  bestätigt.

Das entsprechende Zitat auf Seite 23 der Verfassungsbeschwerde wird hier wie folgt wiederholt:

Eine weitergehende Prüfung des Revisionsvorbringens der Verteidigung durch das Erstgericht ist hingegen im Rahmen der Prognoseentscheidung des § 467 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht veranlasst. Nur dann, wenn das Revisionsgericht bereits mit der Sache (aufgrund der Anhängigkeit) befasst ist, ist es sachgerecht, den Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts anzulegen, nämlich ob das Rechtsmittel gewisse Erfolgsaussichten gehabt hätte (vgl. BGH NStZ –RR 2010, 32) bzw. ob die Verurteilung bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses „sicher erscheint“ (vgl. insoweit Meyer-Goßner, § 467 StPO Rd-Nr. 16a.E).

Auch die Staatsanwaltschaft vertritt somit ganz unverblümt das Argument, das Revisionsvorbringen der Verteidigung für den Angeklagten sei auszuschließen und dürfe nicht berücksichtigt werden.

Mit dieser Auffassung stellt auch die Staatsanwaltschaft, der sich die Generalstaatsanwaltschaft insoweit ausdrücklich angeschlossen hat, den Angeklagten wegen seines Todes schlechter und reklamiert für einen vom Zufall oder genügender Verschleppung abhängenden Umstand, nämlich ob die Sache beim Revisionsgericht anhängig wurde oder nicht, einen völlig unterschiedlichen Gerechtigkeitsmaßstab. Unter Geltung des Rechtsstaatsprinzips und unter verfassungsgemäßer Durchsetzung der Unschuldsvermutung und des Rechts des Angeklagten, sich in jeder Lage des Verfahrens verteidigen zu dürfen, ist die Verbannung der Revisionsbegründung durch LG, OLG und Staatsanwaltschaft eine nicht hinnehmbare Verschlechterung und Bestrafung des gestorbenen Angeklagten aus Anlass seines Todes.

Auch der Staatsanwaltschaft war die Entscheidung des Europäischen  Gerichtshofes in Sachen Entscheidung Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik Deutschland und die zugrundeliegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bekannt. Beide Entscheidungen setzen bei identischer Verfahrenslage in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik und Demjanjuk gegen Bundesrepublik es als selbstverständlich voraus, dass das Revisionsvorbringen des Angeklagten auch noch nach seinem Tode in die Waagschale geworfen wird.

Dass und warum Staatsanwaltschaft, LG und OLG einhellig das Revisionsvorbringen aus diesem Prozess verbannen wollen, ist offensichtlich:

Alle 3 Justizorgane wissen, dass die Revision des Angeklagten begründet war und der Angeklagte zwingend hätte freigesprochen werden müssen.

Darüber hinaus hätte wegen der zahllosen Verfahrensfehler, die dem LG München II unterlaufen sind, der Bundesgerichtshof das Urteil mitsamt  seinen Feststellungen insgesamt aufheben müssen. Dies ergibt sich schon aus der in der Revisionsbegründung auf Seite 11 bis Seite 15 dargestellten Verletzung der §§ 228 Abs. 1, 229 StPO, die in der Anlage vollständig überreicht und zum Gegenstand des Vortrages in der Verfassungsbeschwerde gemacht wird.

Die erste Seite des Protokolls des 51. Verhandlungstages vom 11.8.2010 lautet wie folgt:


51. Verhandlungstag

GZ: 1 Ks 115 Js 12496/08

Sitzungsbeginn: 10.17 Uhr
Sitzungsende: 13.31 Uhr

Protokoll über die Hauptverhandlung vor der 1. Strafkammer – als Schwurgericht – des Landgerichts München II, in München in öffentlicher Sitzung am Mittwoch, 11. August 2010.

Seite 7 desselben Protokolls lautet in dem hier maßgeblichen Abschnitt wie folgt:

Verfügung des Vorsitzenden:

1.) Die Hauptverhandlung wird unterbrochen.

2.) Der Hauptverhandlungstermin von Donnerstag, 12.08.2010 entfällt.

3.) Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung ist – wie bereits bestimmt – Mittwoch, 13.09.2010, 10.00 Uhr, Sitzungssaal A 101/I.

Seite 1 des Protokolls des 52. Verhandlungstages lautet wie folgt:

52. Verhandlungstag

GZ: 1 Ks 115 Js 12496/08

Sitzungsbeginn: 10.16 Uhr
Sitzungsende: 14.55 Uhr

Protokoll über die Hauptverhandlung vor der 1. Strafkammer – als Schwurgericht – des Landgerichts München II, in München in öffentlicher Sitzung am Montag, 13. September 2010.

Für jeden Juristen ist damit der Verstoß gegen § 228 Abs. 1, 229 StPO, und zwar der willentliche Kollisionsverstoß nachgewiesen. Der Vorsitzende hatte kein wie immer geartetes Recht, von sich aus die Hauptverhandlung für einen Zeitraum von 30 Tagen oder mehr zu unterbrechen.

Dieses Recht war ausschließlich dem Kollegialgericht vorbehalten.

Dieser unter anderen in der Revisionsbegründung vorgetragene Verfahrensfehler hätte schon für sich zum Wegfall des Schuldspruches geführt.

Unter diesen Umständen ist es offensichtlich, aus welchen Gründen Staatsanwaltschaft, LG und OLG ein fundamentales Interesse daran haben, das Revisionsvorbringen des Angeklagten von vorne herein und umfassend aus dem Einstellungsverfahren gänzlich auszuschließen und mit keinem Wort darauf einzugehen.

Dabei hat die Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 228, 229 StPO nur die Bedeutung für einen – allerdings gravierenden Verfahrensfehler –, weitere Ausführungen der Revisionsbegründung befassen sich jedoch mit Verfahrenshindernissen, Befassungs- und Bestrafungsverboten, die den

Justizskandal Demjanjuk aufdecken.


G.

Die Entscheidungen des LG und des OLG verstoßen, wie aus sämtlichen vorstehenden Erwägungen handgreiflich und offensichtlich, in der denkbar schwersten Weise gegen Art. 103 Abs. 1 des GG.

In dieser Verfassungsbeschwerde wird daher auch ausdrücklich die Verletzung des Art. 103 des GG gerügt.

Allerdings wird berücksichtigt, dass das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen nach § 33 a im Rahmen einer Anhörungsrüge wegen Verletzung des Art. 103 des GG im Sinne des Subsidiaritätsprinzips den Vorrang zugewiesen hatte. Unter diesen Umständen ist unter dem 12.10.2012 nach Eingang der Entscheidung des OLG am 9.10.2012 das Rechtsmittel der Anhörungsrüge gem. § 33 a StPO erhoben worden, um den Erfordernissen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde Genüge zu tun.

Das Rechtsmittel gegenüber dem OLG lautet wie folgt:

„In der Strafsache
gegen John Demjanjuk
4 Ws 169/12 (K)

nehme ich Bezug auf den Beschluss des 4. Strafsenats vom 4.10.2012 und beantrage hiergegen:

1. In Vollmacht des verstorbenen Angeklagten sowie im Auftrag und in Vollmacht der Witwe und des Sohnes des verstorbenen Angeklagten wird beantragt, das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurückzuversetzen, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand.

2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 4.10.2012 wird als verfassungs- und konventionswidrig aufgehoben.

3. Die Sache wird an den zuständigen Bundesgerichtshof verwiesen.

4. Hilfsweise: Unter Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts München vom 5.4.2012 wird das Urteil des Landgerichts München vom 12.5.2011 aufgehoben, das Verfahren durch Prozessurteil eingestellt und der Staatskasse die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt, ferner angeordnet, dass der verstorbene Angeklagte bzw. sein Nachlass für die in dieser Sache erlittene Polizei- und Untersuchungshaft zu entschädigen ist.

B e g r ü n d u n g :

Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 4.10.2012 ist nach § 33 a StPO auf die vorstehend erhobene Anhörungsrüge der bisherigen Verfahrensbeteiligten aufzuheben.

Der Beschluss beruht durchgehend und umfassend auf eine Verletzung des Art. 103 GG.

Die Verletzungen des Art. 103 GG in der angegriffenen Entscheidung sind so offensichtlich, dass die Witwe und der Sohn des verstorbenen Angeklagten folgende Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen:

1. Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dr. Daustel

2. Richterin am Oberlandesgericht Beckers

3. Richter am Oberlandesgericht Dr. Koch

B e w e i s :       Dienstliche Äußerung der abgelehnten Richter

Die Begründung des Befangenheitsgesuchs im Einzelnen ist identisch mit der Begründung der Anhörungsrüge, so dass auf diese vollinhaltlich und umfassend verwiesen werden kann.

B e g r ü n d u n g :

I.

Bei dem angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts handelt es sich um eine verfassungswidrige Überraschungsentscheidung im Sinne der einschlägigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Mit Schriftsatz vom 17.9.2012 hatten die Beschwerdeführer folgendes vorgetragen:

In der Strafsache
gegen John Demjanjuk

4 Ws 169/12 K


nehme ich Bezug auf die dortige Verfügung vom 13.9.2012.

Es wird beantragt:

1. Akteneinsicht durch Übersendung der Aktenbestandteile, die mir bisher nicht zugänglich gemacht worden sind, für eine Woche in meine Kanzlei.

2. Fristverlängerung bis 20.10.2012.

B e g r ü n d u n g :

Der Unterzeichnete ist zur Zeit arbeitsunfähig erkrankt. Die Krankschreibung bis zum 28.9.2012 wird in der Anlage beigefügt.


Vorab wird darauf hingewiesen, dass nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Sache Nölken-Bollhoff gegen Bundesrepublik Deutschland und der zugrundeliegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der sofortigen Beschwerde umfassend die

Erfolgsaussichten der Revision unter Berücksichtigung des gesamten Revisionsvorbringens einschließlich aller Verfolgungs-, Bestrafungs- und Befassungshindernisse zu überprüfen sind.

Dieser Prüfungsmaßstab wird von der Generalstaatsanwaltschaft in der Zuschrift vom 11.9.2012 weder erwähnt noch wird in den bisherigen Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft, der Generalstaatsanwaltschaft bzw. in der Entscheidung des Landgerichts München dieser Prüfungsmaßstab angewandt.

Ganz im Gegenteil:

Es steht fest, dass der den Entscheidungen, die anstehen, zugrunde zu legende Prüfungsmaßstab der Erfolgsaussichten der Revision sowie aller Prozess- und Verfolgungshindernisse im bisherigen Verfahren nicht den Ansatz einer Berücksichtigung gefunden hat. Das Revisionsvorbringen ist weder von der Staatsanwaltschaft München noch von der Generalstaatsanwaltschaft München noch vom Landgericht auch nur zur Kenntnis genommen worden. Dies ist ein Schwerstverstoß gegen Art. 103 GG, Art. 6 EMRK, dem Grund- und Menschenrecht auf rechtliches Gehör bzw. auf ein faires Verfahren.

Die Erfolgsaussichten der Revision waren und sind

offensichtlich.

Im Übrigen wird auch jetzt und trotz des Beschlusses des Bundesgerichtshofes die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ausdrücklich gerügt. Der Angeklagte ist seinem gesetzlichen Richter entzogen. Der Bundesgerichtshof ist und bleibt hinsichtlich der noch ausstehenden Entscheidungen zuständig.

In diesem Zusammenhang wird erneut beantragt:

Die Sache wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Auf die Verletzung von Art. 101 GG, Art. 6 EMRK wird ausdrücklich hingewiesen.

Das Landgericht München hat in eigener Sache entschieden. Dass dies von vorne herein mit den gesetzlichen Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland insgesamt nicht vereinbar ist, ist offensichtlich.

Die abgelehnten Richter haben sich ohne Begründung über das Akteneinsichtsgesuch und den Antrag auf Fristverlängerung hinweggesetzt und sind auf die Argumentation der Verfahrensbeteiligten in diesem Schriftsatz im Beschluss mit

keinem einzigen Wort eingegangen.

II.

Weder die Staatsanwaltschaft noch die Generalstaatsanwaltschaft hatten im zugrunde liegenden Verfahren auf eine Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde abgestellt noch darauf hingewiesen.

Ganz im Gegenteil.

In der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 11.9.2012  Blatt 15230 wurde ausgeführt:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig gem. § 464 Abs. 3 in Verbindung mit § 311 Abs. 2 StPO.

Die Zulässigkeit der Beschwerde war im Gesamtverfahren unstreitig.

Unter diesen Umständen waren die abgelehnten Richter nach Art. 103 GG verpflichtet, die von ihnen gegen jede herrschende Meinung vertretene Ansicht über die Unzulässigkeit der Beschwerde mit Begründung darzustellen und insbesondere auszuführen, warum sie im Jahre 2012 von der absolut herrschenden Auffassung der Zulässigkeit der Beschwerde abweichen wollen, insbesondere von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, die über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die Übernahme der Entscheidung in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik durch das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung Band 82, Seite 106 ff. mit Gesetzeskraft für die Bundesrepublik Deutschland ausgestattet ist. In der Entscheidung Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik Deutschland, die die abgelehnten Richter ausweislich des Beschlusses, der den Gesetzesbruch enthält, zur Verfügung hatten und kannten, heißt es:

Der Grundsatz der Unschuldsvermutung soll jede „wegen einer Straftat angeklagte Person“ vor einem Schuldspruch schützen, bevor deren Schuld in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise nachgewiesen wurde. Daraus folgt jedoch nicht, dass eine Entscheidung, die die Unschuld eines wegen einer Straftat angeklagten Mannes nach dessen Tod in Frage stellt, nicht nach Art. 25 von seiner Witwe gerügt werden kann. Sie kann sowohl ein legitimes materielles Interesse in ihrer Eigenschaft als Erbin des Verstorbenen haben, als auch ein moralisches Interesse für ihre eigene Belange und die ihrer Familie, ihren verstorbenen Ehemann von jedem Schuldvorwurf freigestellt zu sehen. ... Wie vom Delegierten der Konvention ausgeführt wurde, trifft dies im vorliegenden Fall zu. Unter diesen Umständen kann die Beschwerdeführerin daher behaupten, Opfer im Sinne  von Art. 25 zu sein. Der Gerichtshof möchte außerdem darauf hinweisen, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht, dessen Verfassungsbeschwerdeverfahren dem Verfahren nach der Konvention vergleichbar ist ..., die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin nicht mangels Aktivlegitimation abgewiesen hat.

Damit verstößt das Oberlandesgericht gegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sowie des Europäischen Gerichtshofes, die durch Übernahme durch das Bundesverfassungsgericht in bundesdeutsche Gesetze umgewandelt sind.

Der Gesetzesbruch verhindert die Aufdeckung des Justizskandals und des ersten politischen Prozesses in der Bundesrepublik mit verfassungswidriger Sonderverfolgung des verstorbenen Angeklagten John Demjanjuk, Landgericht München II – 1 KLs 115 Js 12496/08 -, wie dieser in der Verfassungsbeschwerde vom 22.8.2012 beschrieben worden ist.

Die Verfassungsbeschwerde wird in der Anlage überreicht und zum Inhalt des diesseitigen Vortrages sowohl bezüglich der Befangenheitsgesuche als auch bezüglich der Anhörungsrüge gemacht.

Der Gesetzesbruch wird im Beschluss des Oberlandesgericht München durch den Beschluss selbst belegt. Das Oberlandesgericht hätte nach Art. 103 auf seine Argumentationsabsichten hinweisen müssen, um der Verteidigung Gelegenheit zu geben, den Gesetzesbruch zu verhindern.

Das Oberlandesgericht trägt vor:

Die Berechtigung zur Einstellung des Verfahrens ergab sich für das Landgericht aus § 206 a StPO, denn der nach Eröffnung des Hauptverfahrens eingetretene Tod des Angeklagten stellt ein Verfahrenshindernis im Sinne von § 206 a StPO dar.

Ist der Tod des Angeklagten ein Verfahrenshindernis im Sinne des § 206 a StPO, hat der Gesetzgeber den Tod des Angeklagten als Verfahrenshindernis gesamthaft der Regelung des § 206 a StPO unterstellt. Es ist ausgeschlossen, dass die Gerichte den Tod eines Angeklagten als Verfahrenshindernis im Sinne des § 206 a StPO ansehen, dann jedoch nicht die zwingende Anordnung des Gesetzgebers für diesen Fall befolgen. In § 206 a StPO heißt es in Absatz 2:

Der Beschluss ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Im vorliegenden Fall erklärt der Beschluss des Oberlandesgerichts in offensichtlich verfassungswidriger Weise ausschließlich § 206 a Abs. 1 für anwendbar, während er § 206 a für diesen Fall von jeder Geltung suspendiert. Er erklärt nämlich sowohl die Witwe als auch den Sohn für nicht beschwerdeberechtigt, aber auch nicht den Verteidiger als Vertreter des verstorbenen Angeklagten.

Die abgelehnten Richter kommen infolge der von ihnen gewählten, mit dem Gesetz schlechterdings nicht zu vereinbarenden Konstruktion zu dem im Rechtsstaat undenkbaren Ergebnis, dass das Landgericht im vorliegenden Fall nach dem Tod des Angeklagten eine Entscheidung treffen konnte, von der das Landgericht wusste, dass es völlig egal war, ob diese dem Gesetz entsprach oder nicht, weil wegen der angeblichen Höchstpersönlichkeit der Rechte der Angeklagten es von vorne herein keinen denkbaren Anfechtungsberechtigten gibt. Diese vom Oberlandesgericht erzielte Konsequenz ist mit dem Rechtsstaatsprinzip schlechterdings unvereinbar und dient im vorliegenden Fall aus der Sicht der Witwe und des Sohnes, objektiv ausschließlich der Verschleierung und Verdeckung des Justizskandals und des ersten politischen Prozesses Landgericht München II gegen John Demjanjuk.

III.

Es war und ist offensichtlich, dass die Verteidigervollmacht und das Recht des Verteidigers, für die Rechte des verstorbenen Angeklagten einzutreten, solange  besteht, solange die Unschuldsvermutung für einen Angeklagten besteht und durch Entscheidungen des Staates beeinträchtigt oder in Frage gestellt wird. Die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts beruht auf einer verfassungswidrigen grundsätzlichen Verkennung des Rechtsstaatsprinzips und der Menschenwürde.

Beide Prinzipien gebieten die Durchsetzung der Unschuldsvermutung auch nach dem Tode eines Angeklagten, soweit und solange die Frage der Schuld oder Unschuld des Angeklagten Gegenstand von Entscheidungen staatlicher Gerichte oder Institutionen ist oder aber von solchen Entscheidungen berührt wird.

Nach der vom Oberlandesgericht vertretenen Auffassung nimmt der Angeklagte den ihm durch die Unschuldsvermutung vermittelten Rechtsschutz höchst persönlich mit ins Grab, so dass mit dem Tod des Angeklagten zugleich jede Schranke und jeder Schutz, der aus der Unschuldsvermutung resultiert, entfällt.

Die Unschuldsvermutung wirkt und schützt den Angeklagten im Gegensatz zur Auffassung des Oberlandesgerichts zwingend über dessen Tod hinaus. Das Oberlandesgericht beraubt die Unschuldsvermutung in verfassungswidriger Weise ihres Sinnes. Die Unschuldsvermutung verpflichtet den Staat, im Strafprozess die Schuld des Angeklagten zu beweisen. Sie ist Schutz des Unschuldigen bis zur endgültigen Feststellung von Schuld. Bis zu diesem Zeitpunkt ist er ohne Schuld. Die Unschuldsvermutung verbietet jede Zweideutigkeit neben der verfassungsrechtlich gewährleisteten Alternative unschuldig oder schuld und ist damit mehr als bloß die prozessrechtliche Voraussetzung von Urteilsfolgen strafrechtlicher Art.

Sie begleitet, mit den Worten des Richters des Europäischen Gerichtshofes für  Menschenrechte Cremona, den Angeklagten während des gesamten Verfahrens bis zur Verurteilung, vgl. Bundesverfassungsgerichtsentscheidung Band 82, Seite 124.

Das bedeutet, dass verfassungsrechtlich die Unschuldsvermutung über den Tod des Angeklagten hinaus ihn schützt und begleitet. Folglich kann und muss der Gesetzgeber von Verfassungswegen Rechtsmittel zur Verfügung stellen, die es ermöglichen, Verletzungen der Unschuldsvermutung über den Tod des Angeklagten hinaus zu rügen und die Verletzung der Unschuldsvermutung zu beseitigen. Dafür sind sowohl der Verteidiger aus den Gründen seiner Stellung in der StPO als auch die Angehörigen des verstorbenen  Angeklagten befugt und letztere Opfer im Sinne eines Betroffenseins.

Indem das  Oberlandesgericht die Weitergeltung der Unschuldsvermutung für den verstorbenen Angeklagten über seinen Tod hinaus negiert, verstößt  es gegen alle zentralen Anliegen der Menschenwürde und des Rechtsstaatsprinzips. Dass die Unschuldsvermutung über den Tod des Angeklagten hinaus diesen schützt und Rechtsmittel gegen Verletzungen vorhanden sein müssen, ergibt sich bereits aus der Schaffung entsprechender Straftatbestände zum Schutzes des Ansehens eines Verstorbenen. Mit der vom Oberlandesgericht in dieser Sache vertretenen Auffassung konnte und musste niemand rechnen.  Die Auffassung stellt sich außerhalb des Grundgesetzes und ist objektiv abwegig. Sie ist durch nichts, durch kein Gesetz und durch keine Rechtsvorschrift zu rechtfertigen und widerspricht allen zentralen Prinzipien des Grundgesetzes und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte.

Diese objektiv abstruse und unvertretbare Auffassung musste das OLG vorab bekannt geben, zumal weder die Staatsanwaltschaft noch die Generalstaatsanwaltschaft mit dem Vertreten dieser Auffassung des OLG gerechnet haben oder selbst eine solche Auffassung vertreten haben. Ganz im Gegenteil, alle Verfahrensbeteiligten außerhalb der Richterbank des OLG haben diese Auffassung im Verfahren weder vertreten noch als vertretbar erwähnt.

Die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, die Beschwerde sei unzulässig, erklärt den Grundsatz des rechtlichen Gehörs in Form eines Zuganges zu Gericht und einer Beschwerdemöglichkeit gegen die Entscheidung des Landgerichts mit dem Tod des Angeklagten als nicht vorhanden und streicht damit Art. 103 des GG zu Lasten der Verfahrensbeteiligten aus dem Gesetz.

IV.

Das Oberlandesgericht trägt vor:

Der Beschluss des Landgerichts stellt keineswegs die Schuld des Angeklagten fest, sondern macht ausdrücklich deutlich, dass die Ermessensentscheidung nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO „ohne abschließende Schuldzuweisung“ (Seite 2 vorletzter Absatz des Beschlusses) erfolgt.

Die Ausführungen des Senats zeigen, dass die abgelehnten Richter den Beschluss des Landgerichts München weder in seinem Wortlaut und Sinne aufgenommen, noch in seiner Bedeutung zugrunde gelegt, ihn vielmehr in sein Gegenteil verkehrt haben.

Der Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht haben, letzteres durch Übernahme der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, mit Gesetzeskraft festgelegt, dass der Beurteilungsmaßstab für die Verletzung der Unschuldsvermutung nicht nur der Tenor der angegriffenen Entscheidung ist, sondern auch die Begründung, soweit sie Schuldfeststellungen gegen den Angeklagten zugrunde legt, der damit argumentiert.

Im Beschluss des Landgerichts heißt es:

Der Angeklagte war nach 91-tätiger Hauptverhandlung mit umfangreicher Beweisaufnahme der 16-fachen Beihilfe zum Mord schuldig gesprochen worden. Der Schuldspruch beruhte auf einer ausführlichen Beweiswürdigung zu den Tatsachenfeststellungen und einer Erörterung sämtlicher maßgeblicher Rechtserwägungen.

Mit diesen Ausführungen tritt das Landgericht den Schuldfeststellungen des Urteils vom 12.5.2011 unzweifelhaft und ausdrücklich bei. Die Ausführungen können nur wie folgt verstanden werden:

Der Angeklagte ist von unserer Kammer am 12.5.2011 nach fehlerfreier Hauptverhandlung, fehlerfreier Beweiswürdigung und zutreffender Anwendung von Recht und Gesetz

zu Recht verurteilt worden.

Dass die Ausführungen des Landgerichts nicht so und nicht anders verstanden werden können, ist so offensichtlich, dass jede andere Behauptung, jede andere Interpretation dieser Ausführungen des Landgerichts

objektiv abwegig erscheint.

Der nächste Satz im Beschluss heißt:

Auch wenn die Verurteilung mangels Revisionsentscheidung nicht mehr in Rechtskraft erwachsen konnte, kommt § 467 Abs. 1 StPO nicht zur Anwendung.

Es ist offensichtlich und handgreiflich, dass dieser Satz ausdrücklich bedauert, dass die Verurteilung nicht mehr in Rechtskraft erwachsen konnte. Das Landgericht hätte, wenn es nicht ausdrücklich die Schuldfeststellung des Urteils wiederholen wollte, formulieren müssen:

Eine Entscheidung über eine Schuld des Angeklagten kann mangels einhaltbarer Revisionsentscheidung nicht mehr ergehen.

Dass es ausschließlich dem Landgericht in dieser Sache um die Verteidigung seiner Verurteilung des Angeklagten geht, beweist der folgende Absatz über die Verteidigerstrategie:

Diese Ausführungen haben mit einer Entscheidung nach § 206 a StPO nicht das Geringste zu tun und sind in diesem Zusammenhang abwegig und geradezu absurd.

Sie bekommen nur dadurch einen Sinn, dass die Ausführungen dem Zweck dienen, die Verurteilung des Angeklagten erster Instanz und damit die Schuldzuweisung als sachgemäß richtig und zutreffend zu bezeichnen und zu erklären, dass die Bestätigung der Schuldzuweisung durch das Revisionsgericht nur deshalb verhindert wurde, weil der Verteidiger eine destruktive Verteidigungsstrategie eingeschlagen habe. Die Wortwahl „abschließende Schuldzuweisung“ ist im vorliegenden Fall ausnahmslos und ausschließlich dahin zu verstehen, dass das Landgericht bedauert, dass die von ihm vorgenommene Schuldzuweisung zu Lebzeiten des Angeklagten nicht mehr abschließend im Sinne von rechtskräftig geworden ist.

Das Oberlandesgericht stellt diesen Sachverhalt geradezu auf den Kopf und verstößt damit gegen Art. 103 des GG.

V.

Der Senat führt aus:

Schließlich merkt der Senat  noch an, dass die vom Landgericht in erster Instanz getroffene Schuldfeststellung die Annahme eines zum Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung fortbestehenden Tatverdachts und die darauf gestützte Anwendung von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO zulässt, ohne dass dies von Rechtswegen zu beanstanden wäre.

Mit dieser Auffassung schließen die abgelehnten Richter die Beschwerdeführer von jedem Vortrag und der Berechtigung zu jedwedem Vortrag von vorne herein aus. Die befangenen Richter erklären jedes nichts rechtskräftige Urteil erster Instanz, nach deren Erlass der Angeklagte gestorben ist, für sakrosankt und schließen im Wege eines Automatismus die Rechte des Angeklagten nach § 467 Abs. 1 StPO und § 6 StrEG von vorne herein absolut, ohne Wenn und Aber und ohne Ausnahme aus. Die nicht rechtskräftige Schuldfeststellung erster Instanz rechtfertigt, gleich wie und unter welchen Umständen sie zustande gekommen ist, die Annahme eines Tatverdachtes, ja sogar die Annahme eines fortbestehenden Tatverdachtes, selbst wenn ein solcher objektiv nie bestanden hat.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Bundesverfassungsgericht durch Übernahme der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte haben jedoch entschieden, dass es für die Entscheidungen im Zusammenhang mit § 206 a StPO maßgeblich darauf ankommt, ob der Angeklagte nach der bisherigen Beweislage voraussichtlich verurteilt worden wäre oder nicht. Es kommt somit auf eine Prognoseentscheidung des den Einstellungsbeschluss erlassenden Gerichts an. Eine solche Prognoseentscheidung lässt sich schlechterdings nicht mit der erstinstanzlichen Schuldfeststellung, die nicht rechtskräftig geworden ist, begründen, insbesondere dann nicht, wenn im Zeitpunkt des Todes des Angeklagten bereits nachgewiesen war, dass der Durchführung des Verfahrens vor dem Landgericht Prozess- und Verfahrenshindernisse entgegenstanden, die das gesamte Verfahren unzulässig machten.

Auch ein Einstellungsbeschluss nach § 206 a StPO aus Anlass des Verfahrenshindernisses Tod des Angeklagten hat zur Voraussetzung, dass andere Verfahrenshindernisse, die der Verfahrensdurchführung als solche schon entgegengestanden haben, vom Gericht, welches die Einstellung verfügt, geprüft und vorab berücksichtigt werden müssen.

War die Tat etwa von vorne herein verjährt, ist das erstinstanzliche Gericht unter Verkennung des Verfahrenshindernisses der Verjährung zu seiner Schuldfeststellung gekommen und dieser nach dieser Schuldfeststellung verstorben, hat die Einstellung wegen dieses vorrangigen Verfahrenshindernisses, nicht aber wegen des Todes des Angeklagten zu erfolgen. Genauso verhält es sich mit anderen Verfahrenshindernissen etwa wie dem Verbot der doppelten Strafverfolgung oder dem Verbot verfassungswidriger Sonderverfolgung. Ist etwa die nicht rechtskräftige Schuldfeststellung der ersten Instanz mit Verfahrensfehlern oder Verstößen gegen das materielle Recht belastet, kann die Schuldfeststellung des nicht rechtskräftigen Urteils nicht dazu berechtigen, zu behaupten, diese bemakelte und mit Makeln behaftete Schuldfeststellung rechtfertige jedenfalls die Annahme eines Tatverdachtes oder eines fortbestehenden Tatverdachtes. Die zu treffende Prognoseentscheidung, wie sie vom Europäischen Gerichtshof und vom Bundesverfassungsgericht gefordert werden, setzen eine eigenständige Überprüfung durch das Einstellungsgericht voraus, ohne dass dieses Gericht auf die Schuldfeststellung prozessual oder materiell zurückgreifen dürfte.

Die abgelehnten Richter haben diese vom Gesetz ihnen abverlangte Prüfung weder erbracht noch durchgeführt. Mit dem Hinweis, dass die erstinstanzliche nicht rechtskräftige Schuldfeststellung ohne Weiteres berechtigt, von einer fortbestehenden Tatverdachtslage auszugehen, verweigern sie hingegen den Verfahrensbevollmächtigten den Zugang zu den Gerichten und den Zugang zum rechtlichen Gehör nach Art. 103 des GG.

Aus der nicht rechtskräftigen Schuldfeststellung wird unabhängig davon, ob diese auch nur annähernd oder überhaupt mit Gesetz und Recht vereinbar ist, für das Einstellungsgericht automatisch eine fortbestehende Tatverdachtslage. Damit wird die Schuldfststellung über den Tod des Angeklagten hinaus perpetuiert und zugleich unter diametralem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung die Schuld des Angeklagten über seinen Tod hinaus festgeschrieben und nur mit einer anderen Worthülse belegt, nämlich als fortbestehender Tatverdacht bezeichnet, der auf immer aufrecht erhalten wird und gegen den sich der Angeklagte und seine Familie niemals mehr wehren kann.

Dies ist nichts anderes als die verfassungswidrige und konventionswidrige Festschreibung einer Schuldzuweisung ohne rechtskräftiges Urteil und die klassische Form der Gesetzesumgehung der Unschuldsvermutung.

Das Oberlandesgericht und die abgelehnten Richter haben mit ihrem Beschluss und ihren Ausführungen die Verfahrensbeteiligten mit ihrem gesamten Revisionsvorbringen und ihrem gesamten Beschwerdevorbringen von vorne herein ausgeschlossen.

Die befangenen Richter haben die Revisionsbegründung nicht einmal zur Kenntnis genommen.

B e w e i s :       Dienstliche Äußerung der abgelehnten Richter

Sie haben die Begründungen mit keinem Wort erwähnt oder aber inhaltlich gewürdigt.

Vielmehr stellen sie den Rechtssatz auf:

Ist eine erstinstanzliche – auch wenn nicht rechtskräftige – Schuldfeststellung erfolgt, rechtfertigt dies völlig unabhängig davon, wie diese Schuldfeststellung zustande gekommen ist, die unwiderlegbare Feststellung einer

Verdachtslage.

Dies ist nichts anderes als eine Umgehung und ein Bruch der Unschuldsvermutung und des Rechtsstaatsprinzips. Die Schuldfeststellung, die von Gesetzeswegen nicht bestehen bleiben darf, wird in eine für den Angeklagten und ihrer Angehörigen nicht mehr widerlegbaren
Tatverdachtsvermutung

umformiert und damit der Angeklagte nach seinem Tod entgegen der Unschuldsvermutung nicht als „ohne Schuld“, sondern als

dauertatverdächtig bezeichnet.

Damit wird erneut die Unschuldsvermutung, die jede Zweideutigkeit neben der verfassungsrechtlich garantierten Alternative unschuldig oder schuldig verbietet, ihres Sinnes und der verstorbene Angeklagte des Schutzes der Unschuldsvermutung beraubt.

Darüber hinaus ist die Umformierung der nicht rechtskräftigen Schuldfeststellung in einen  rechtskräftig festgestellten Dauertatverdacht eine schwere Verletzung der Verpflichtung des Landgerichts zu einer Prognoseentscheidung über den mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens.

Dabei muss das einstellende Gericht unabhängig von der vorliegenden Schuldzuweisung prüfen, ob der Angeklagte unter Berücksichtigung des gesamten Revisionsvorbringens bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses nicht ausschließbar hätte Erfolg haben können. Die abgelehnten Richter sowie der Senat verweigert den Verfahrensbeteiligten von vorne herein den ihnen geschuldeten Prüfungsmaßstab und schließt das Vorbringen der Beteiligten insofern von vorne herein unter Verstoß gegen Art. 103 des GG aus. Die Berücksichtigung und Beachtung des Revisionsvorbringens des Angeklagten und seines Verteidigers, wie sie nach Art. 103 GG geboten und vom Senat und den abgelehnten Richtern zu beachten war, hätte das ungeheure Ausmaß des objektiven Rechtsbruches im Fall Demjanjuk offenbart.

Es wäre an den Tag gekommen, dass der Angeklagte entgegen einer 70-jährigen Rechtspraxis der Nichtverfolgung von Nichtdeutschen mit nationalsozialistischem Hintergrund im Ausland als einziger und erster und letzter einer verfassungswidrigen Sonderverfolgung vor dem Landgericht München unterworfen wurde. Es wäre offenbar geworden, dass der Durchführung des Verfahrens offensichtlich und handgreiflich massivste Prozesshindernisse bzw. Befassungsverbote entgegenstanden, so die fehlende Zuständigkeit deutscher Gerichtsbarkeit, die fehlende Anwendbarkeit deutschen Rechts, die über die unwahre Behauptung, ein Trawniki sei Amtsträger gewesen, kaschiert wurde. Es wäre herausgekommen, dass ne bis in idem verletzt wurde, weil die polnische Entscheidung des Instituts für Nationales Gedenken vom 19.12.2007 die Anklage in der Bundesrepublik verbot.

Es wäre offenbar geworden, dass das Legalitätsprinzip in hohem Maße verletzt worden ist, als die Bundesrepublik sich für zuständig erklärte, John Demjanjuk zum zweiten Mal zu verfolgen. Es wäre herausgekommen, dass ein deutscher Strafanspruch nach der Verfolgung von John Demjanjuk in Israel wegen Sobibor überhaupt nicht bestand. Schließlich wäre herausgekommen, dass das Landgericht das geltende Tatstrafrecht und insbesondere § 47 Militärstrafgesetzbuch hätte anwenden und den Angeklagten schon aus diesem Grunde freisprechen müssen. Es wäre offenbar geworden, dass der Angeklagte, seine Trawniki-Angehörigkeit unterstellt, nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen den Wachmannschaften der Waffen-SS untergeordnet und gezwungen wurde, als Kriegsgefangener Dienst in Konzentrations- und Vernichtungslagern zu leisten.  Es wäre offenbar geworden, dass unter Beachtung der Aussage von Danilschenko das Landgericht wusste, dass es die Anklagevorwürfe gegen Demjanjuk in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft niemals würde beweisen können, da, wie es schon der israelische oberste Gerichtshof  festgestellt hat, die Zeiten der Anwesenheit von Demjanjuk bzw. die Zeiten der Abwesenheit von Demjanjuk den Nachweis einer Mitwirkung von Demjanjuk an den angeklagten Straftaten von vorne herein ausschloss. Es wäre offenbar geworden, dass Trawniki unter massivem Befehlsnotstand bzw. Putativnotstand handelten, als sie Dienst in den Wachmannschaften der Waffen-SS leisten mussten und von daher ihr von deutschen Verbrechern erzwungenes Handeln nicht strafbar war, sie vielmehr entschuldigt waren. Schließlich wäre, was zwischenzeitlich gerade von der Ludwigsburger Zentralstelle unstreitig gestellt worden ist, herausgekommen, dass das Landgericht den Angeklagten auf der Grundlage nicht geltenden Gesetzesrechtes verurteilt hat, sondern auf der Grundlage einer nicht vom Gesetz gedeckten bzw. nicht im Gesetz stehenden neuen Rechtstheorie, wonach es ausreicht, dem Angeklagten die Mitgliedschaft in eine Wachmannschaft eines Vernichtungslagers nachzuweisen, um ihn der Beihilfe wegen Mordes schuldig zu sprechen, und zwar unter Verzicht auf jeden individuellen Schuldnachweis, unter Verzicht auf jede konkrete Mitwirkungshandlung, unter Verzicht auf den Nachweis von dessen Anwesenheit zur Tatzeit.

Die ungeheuerliche Rechtsbrüche, die dem Landgericht München in der Sache gegen Demjanjuk unterlaufen ist, könnten und durften keine Grundlage einer Einstellungsentscheidung nach § 206 a StPO sein.

Jeder Berührungspunkt zum Urteil des Landgerichts München II war abzulehnen. Jedes Argumentieren mit diesem Urteil und seinen Feststellungen bedeutet, dass Legalitätsprinzip aufzugeben, das Rechtsstaatsprinzip auszuhöhlen, selektive Strafverfolgung durchzuführen, gegen Art. 3 GG und gegen Art. 6 EMRK zu verstoßen, die Beweislast auf den Angeklagten abzuwälzen, auf einen individuellen Tatnachweis zu verzichten, das Tatzeitrecht außer Acht zu lassen, das Rückwirkungsverbot zu verletzen, das Tatzeitstrafrecht aus dem Prozess zu verbannen, ne bis in idem und Art. 54 Schengener Durchführungsübereinkommen zu verletzen, Anrechungspflichten nach § 51 Strafgesetzbuch nicht zu erfüllen, Spekulation, Vermutung und die Überzeugung von der eigenen Unfehlbarkeit zu Strengbeweismitteln im Sinne der Strafprozessordnung zu erklären und die historische Wahrheit in ihr Gegenteil zu verkehren.

Einem solchen Verfahren durfte in der Bundesrepublik niemand, auch nicht das OLG München,  die Hand reichen.

VI.

Mit der Beschwerde wurde seitens der Beschwerdeführer gerügt, dass eine Entscheidung nach § 6 StreG durch das Landgericht verweigert wurde. Dieser Rüge sind die Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwalt beigetreten, der Generalstaatsanwalt unter Hinweis auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft München im Schreiben vom 18.4.2012. Darüber hinaus wurde gerügt, dass die Einstellungsentscheidung des Landgericht den notwendigen Ausspruch unterlassen hat, dass das Verfahren

auf Kosten der Staatskasse

eingestellt wird, ein zwingender und unverzichtbarer Bestandteil jeder Einstellungsentscheidung nach § 206 a StPO.

Der Senat und die abgelehnten Richter verlieren weder über die Beschwerde insoweit noch über die Anträge insoweit ein einziges Wort. Sie verstoßen damit zentral gegen die vom Bundesgerichtshof im 45. Band, Seite 108 ff. festgelegte Verpflichtung des Gerichts, eine Entscheidung über § 6 StrEG herbeizuführen.

Jede Begründung für diese Vorgehensweise wird verweigert. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. § 6 StrEG erfordert eine Entscheidung, in der das einstellende Gericht zwingend das Revisionsvorbringen des Angeklagten nach erstinstanzlicher Verurteilung aufnehmen und eine Prognoseentscheidung über den mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens hätte treffen müssen. Dies hätte dazu geführt, dass die unglaubliche Fülle der Rechtsverletzungen in diesem ersten politischen Schauprozess der Bundesrepublik Deutschland hätten aufgedeckt werden müssen. Dies hätte schließlich dazu geführt, dass diejenigen, die die Durchführung dieses Prozesses von der Bundesrepublik verlangt haben, nämlich OSI und das Simon Wiesenthal Zentrum und deren Einflussnahme im Verfahren aufgedeckt worden wären.

Die Verfahrensbeteiligten befürchten, dass die abgelehnten Richter die Aufdeckung dieser Hintergründe vermeiden wollten.

Unabhängig davon, ob diese Befürchtung der Angehörigen des verstorbenen Angeklagten zutreffen, ist die Verweigerung des Oberlandesgericht diese zwingend vom Gesetz geforderten Entscheidungen zu treffen, nachzuholen oder für eine Nachholung durch das Landgericht München von Amtswegen Sorge zu tragen, unter keinen denkbaren rechtlichen Umständen hinnehmbar. Es kann nicht angehen, dass im Rechtsstaat eine Entscheidung des Landgerichts München, die die von ihm geschuldete Entscheidung nach § 6 StrEG schlichtweg verweigert, die die von ihm geschuldete Entscheidung, dass das Verfahren auf Kosten der Staatskasse eingestellt wird, schlichtweg entgegen dem Gesetzesbefehl verweigert, vom zuständigen Obergericht in Kenntnis des Gesetzesbefehls und in Kenntnis des vom Landgericht vorgenommenen Rechtsbruches insoweit legalisiert wird.

In diesem Zusammenhang kommt es gar nicht darauf an, ob man den Verfahrensbeteiligten ein Beschwerderecht zubilligt oder nicht. Aufgrund der Anträge und der Hinweise der Verfahrensbeteiligten war das Oberlandesgericht verpflichtet, die Anträge von Amtswegen zumindest als Anregungen zu verstehen. Diese Anregung musste zwingend dazu führen, dass das Oberlandesgericht von Amtswegen für die Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustandes Sorge trug.

Auch dies ist, selbst wenn man die Anträge nur als Anregungen zur Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustandes ansieht, ein massiver Verstoß gegen Art. 103 des GG.“

Es ist so gut wie ausgeschlossen, darauf zu hoffen, dass angesichts der sonstigen Entscheidungsinhalte des Beschlusses des OLG das Oberlandesgericht sich überhaupt mit der Anhörungsrüge beschäftigt bzw. diese zur Kenntnis nimmt und sie behandelt. Das OLG wird die Anhörungsrüge auf der Grundlage seiner bisherigen Entscheidungen wegen fehlender Aktivlegitimation der Verteidigung und der Angehörigen zurückweisen.

Von daher kann schon jetzt die Verfassungsbeschwerde auch auf der Grundlage der Verletzung des Art. 103 des GG erhoben werden und der vorstehende Sachvortrag gegenüber dem OLG zum Inhalt der Begründung der Verfassungsbeschwerde gemacht werden. Auf der Grundlage der objektiv abstrusen Auffassung des OLG gibt es weder für die Angehörigen noch für den Verteidiger das Recht auf Geltendmachung der Rechte aus § 33 a StPO mangels Aktivlegitimation.

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.

Abschließend wird beantragt:

Die Anlagen der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1933/12 werden insgesamt beigezogen.

Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass das Urteil des Landgerichts München II vom 12.5.2011 dem Bundesverfassungsgericht in dieser Verfassungsbeschwerde vollständig vorliegt und deshalb auch in diesem Verfahren beigezogen werden kann, damit das Bundesverfassungsgericht sich anhand des Urteils und der beizuziehenden Akten des LG München II von der Richtigkeit des diesseitigen Vortrages überzeugen kann.


Mit freundlichen Grüßen


Dr. Ulrich Busch
Rechtsanwalt